In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts formulierten Forscher:innen eine Theorie. Sie basierte auf der Erkenntnis, dass an beiden Polen der Erde Ströme von Protonen mit hoher Geschwindigkeit ins All hinausströmen und den sogenannten Polarwind bilden. Die Wissenschaftler:innen vermuteten, dass in der Ionosphäre ein schwaches, aber globales elektrostatisches Feld existiert – also ein drittes Energiefeld neben dem Magnetfeld und dem Schwerefeld. Einem NASA-Team gelang es nun erstmal, dieses ambipolare Feld der Erde nachzuweisen. Start der Endurance Mission. Bild: NASA Die Theorie des elektrostatischen Felds Ein drittes Energiefeld war damals die logischste Erklärung für die Existenz des Polarwinds. Wäre die Energie des Sonnenlichts oder das irdische Magnetfeld der Motor hinter den Protonenströmen, so müsste sich der ionisierte Wasserstoff aufheizen. Dies ist jedoch nicht der Fall, die Teilchen des Polarwindes sind kalt. Das globale elektrostatische Feld in der Ionosphäre, das die Forscher:innen damals für die Ursache des Polarwindes hielten, entsteht der Theorie zufolge, weil in dieser Höhe Atome ionisiert werden, wodurch ein Plasma aus positiven, schweren Atomrümpfen sowie negativen, leichten Elektronen entsteht. „Das Feld entsteht, weil die von ihrer Wärmeenergie angetriebenen ionosphärischen Elektronen versuchen, ins All zu entkommen„, erklärt ein Team rund um Erstautor Glyn Collinson vom Goddard Space Flight Center der NASA. Der Ladungseffekt führt zur Entstehung eines schwachen, in beide Richtungen wirkendes elektrisches Feld zwischen Elektronen und den positiv geladenen Ionen. Allerdings fehlten bisher die Messinstrumente, die sensibel genug sind, um dieses schwache Feld in mehreren Hundert Kilometern Höhe nachweisen zu können. Endlich gelingt der Nachweis Doch nun hat sich dies geändert. Das Team rund um Collins hat ein Phtoelektronen-Spektrometer entwickelt, das auch schwächste elektrische Felder erkennen kann. Gemeinsam mit weiteren Messinstrumenten wurde dieser Detektor Mitte 2022 mit einer NASA-Rakete in die polare Atmosphäre gebracht. Die Mission wurde auf den Namen „Endurance“ getauft und erreichte eine Höhe von 768 Kilometern. In Höhen zwischen 250 und 768 Kilometern stellten die Messinstrumente dabei einen elektrischen Potenzialabfall von +0,55 Volt fest. „ Ein halbes Volt ist fast nichts, das ist gerade einmal so stark wie eine Uhrenbatterie. Aber dieser Wert passt genau, um den Polarwind zu erklären„, so Collinson. Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.Mehr erfahren Video laden YouTube immer entsperren Den Forscher:innen gelang es damit erstmals, die Theorie des „dritten Energiefelds“ der Erde zu beweisen. Damit ist auch das Rätsel des Polarwinds gelöst. Somit besitzt unser Planet neben dem Magnetfeld und der Schwerkraft noch ein drittes Energiefeld: ein globales ambipolares Feld. Dieses hält die Plasma-Elektronen in der Atmosphäre fest und verleiht den leichten Protonen in der Plasmaschicht einen Auftrieb, der rund 10,6-mal stärker ist als die Schwerkraft, die in dieser Höhe auf die Protonen wirkt. „Das ist mehr als genug, um die Erdanziehung zu überwinden und die Protonen mit Überschalltempo ins All hinauszuschleudern„, so Alex Glocer, der an dem Projekt beteiligt war. Das Feld wirkt sich auf die Ionosphäre aus Doch damit nicht genug. Das ambipolare Feld hat auch Auswirkungen auf die Ionosphäre der Erde. Die nach außen strebenden Elektronen können zwar die schweren Ionen nicht ins All transportieren, allerdings verleihen sie auch diesen einen messbaren Auftrieb. „Wir haben den Effekt des ambipolaren Felds auf die Sauerstoffionen (O+) der polaren Kappe quantifiziert: Das Feld hebt die Ionosphäre dort um 271 Prozent an – von 77 auf 208,9 Kilometer Höhe„, so das Team. Das ambipolare Feld erhöht außerdem die Dichte des Plasmas in der Ionosphäre. In rund 768 Kilometern Höhe, wo die Grenze der Magnetsphäre liegt, ist sie etwa 3.800 Prozent höher als sie wäre, wenn es das elektrostatische Feld nicht gäbe. Es ist durchaus auch möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass auch Planeten wie der Mars und die Venus solch ein Feld besitzen. „Jeder Planet mit einer Atmosphäre müsste ein ambipolares Feld aufweisen. Jetzt, wo wir es endlich nachgewiesen haben, können wir erforschen, wie es unseren Planeten und andere im Laufe der Zeit geprägt hat„, so Collinson. via NASA – Goddard Space Flight Center Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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