Berichte über Nahtoderfahrungen gibt es immer wieder. Vom klassischen Licht am Ende des Tunnels über das Schweben über dem eigenen Körper bis zu einem inneren Kurzfilm mit den wichtigsten Szenen des eigenen Lebens – was Menschen erleben, die kurz vor dem Tod stehen, ist vielfältig und individuell. Forscher:innen haben nun Einblicke in das sterbende Gehirn erhalten und konnten dabei erstmals verfolgen, wo die Hirnaktivität vor dem Tod noch einmal aufflackert. Dabei konnten sich auffällige Schübe von koordinierten Gammawellen beobachten lassen. Diese konzentrierten sich in Hirnarealen, die mit Träumen, Halluzinationen und der bewussten Verarbeitung von Wahrnehmungen assoziiert sind. SymbolbildFoto: By NIMH [Public domain], via Wikimedia Commons Spezifische Hirnaktivität bei sterbenden Menschen? Berichte über Nahtoderfahrungen wurden lange als Fantasie abgetan. Inzwischen jedoch gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass im sterbenden Gehirn Prozesse stattfinden, die diese Erfahrungen erklären könnten. So wurde etwa bei Tieren und einer geringen Anzahl sterbender Menschen durch Hirnstrommessungen ein Anstieg der Hirnaktivität erkannt. Dabei handelt es sich um Schübe von Gammawellen, die bei Sauerstoffmangel durch das sterbende Gehirn gesendet werden. Ein Team rund um Gang Yu von der University of Michigan hat nun untersucht, wo genau im Gehirn diese Aktivitäten stattfinden und welche Auswirkungen sie haben. Als Basis für die Untersuchung dienten Gehirnstromdaten, die mittels Elektroenzephalogramm (EEG) bei vier Patient:innen aus, die trotz versuchter Wiederbelebung an einem Herzstillstand verstarben. „Während der Verlust des offensichtlichen Bewusstseins nach einem Herzstillstand unvermeidlich ist, ist bisher unklar, ob es während des Sterbeprozesses so etwas wie ein verdecktes Bewusstsein gibt„, so die Forscher:innen. Der hintere Bereich des Gehirns verfügt über spezifische Areal, die für die höhere Verarbeitung von visuellen Erfahrungen zuständig sind. Diese Areale sind auch bei Träumen oder Halluzinationen aktiv. „Diese Temporo-Parietal-Occipital-Verbindungen (TPO) gelten als ‚heiße Zone‘ für neurale Korrelate des Bewusstseins„, schreibt das Team. Da Nahtoderfahrungen meist als visuell beschrieben werden, müsste es in diese Hirnbereichen im sterbenden Gehirn messbare Aktivitäten geben, wenn die beschriebenen Erfahrungen eine neuronale Basis haben. Gammawellen-Altivität deuten auf Nahtoderfahrungen hin Dem Team gelang es auch, solche Aktivitäten zu zeigen – und zwar bei zwei der vier auffälligen Gammawellen-Schüben in verschiedenen Bereichen des Gehirns – unter anderem auch im hinteren Hirnbereich. Die beobachteten Gammawellen waren zudem in verschiedenen Bereichen synchron. Dies könnte auf eine funktionelle Verbindung der Aktivitäten hindeuten. „In der frühen Nahtod-Phase stieg die Gamma-Kohärenz in der linken TPO-Zone beider Patienten. In der späteren Nahtod-Phase blieb diese Gamma-Kohärenz innerhalb der TPO-Verknüpfungen hoch„, so die Forscher:innen. Außerdem fiel bei beiden Patienten ein Anstieg der Gammawellen-Sychronizität zwischen den TPO-Zonen und dem jeweils in der gegenüberliegenden Hirnhälfte liegenden präfrontalen Cortex auf. Solche interhemisphärischen Verknüpfungen sind Studien zufolge wichtig für das Aufrufen von Erinnerungen, bewusste Wahrnehmungen sowie die Integration von Informationen. Neue Anhaltspunkte für Nahtoderfahrungen Die Gammawellen-Signaturen im Gehirn der Sterbeden ähnelte denen, die bei träumenden Menschen oder bei Halluzinationen beobachtet werden können. „Anders als bei Studien zu Träumen können wir aber nicht eindeutig feststellen, ob die Aktivierung der posterioren ‚heißen Zone‘ tatsächlich mit einer subjektiven Erfahrung bei unseren Patienten verbunden war, weil keiner von ihnen den Herzstillstand überlebte„, so das Team weiter. Es ist also offen, ob die beiden sterbenden Patient:innen eine Art Nahtoderfahrung durchlebten. Allerdings gehen die Forscher:innen davon aus, dass die beobachtete Gammawellen-Aktivität mit Nahtoderfahrungen verknüpft ist. „Unsere Ergebnisse sind in jedem Fall spannend und liefern einen neuen Anhaltspunkt für ein verdecktes Bewusstsein bei sterbenden Menschen„, so Jimo Borjigin von der University of Michigan, Seniorautorin der Studie. via University of Michigan Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
Ohne Brillen oder Kontaktlinsen: So soll Kurzsichtigkeit schon in jungem Alter unter Kontrolle gebracht werden