Wer mit offenen Augen durch die Innenstadt von Aachen geht, findet immer wieder Protestschilder gegen das belgische Kernkraftwerk Tihange. Denn die Anlage liegt nur rund 57 Kilometer von der Stadt entfernt. In der Vergangenheit standen die Meiler dort zudem immer wieder in der Kritik. Unter anderem mussten marode Betonteile ausgebessert werden. Für die Einwohner in der Grenzregion war der belgische Beschluss zum Atomausstieg daher eine gute Nachricht. Gefasst wurde dieser im Jahr 2003. Demzufolge sollte der letzte Meiler im Jahr 2025 abgeschaltet werden. Trotzdem blieb der belgische Strommix noch sehr lange stark abhängig von der Atomkraft. So stammte im Jahr 2021 mehr als die Hälfte der im Land produzierten Elektrizität aus Kernkraftwerken. Schon damals schien der Ausstiegstermin daher leicht fraglich. Inzwischen ist klar: Die beiden Meiler Tihange 3 und Doel 4 sollen doch erst im Jahr 2035 abgeschaltet werden. Foto: Michielverbeek [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons Erdgas dürfte als Energieträger auch keine große Zukunft haben Auslöser dafür ist nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine. Denn dieser sorgte zum einen für stark steigende Energiepreise. Die seit vielen Jahren laufenden Atomkraftwerke können hier zumindest teilweise für Linderung sorgen. Ganz preiswert dürfte die Sache für den Staat aber nicht werden. Denn die Betreiberfirma Engie hatte sich eigentlich auf die Abschaltung und den Rückbau eingestellt und dürfte sich den nun geplanten Kurswechsel bezahlen lassen. Hinzu kommt: Der Atomausstieg sollte eigentlich durch eine stärkere Nutzung von Erdgas ausgeglichen werden. So war unter anderem der Bau eines neuen Gaskraftwerks geplant. Ein nicht unerheblicher Teil des von den EU-Staaten importierten Erdgases stammt allerdings aus Russland. Die politischen Gegebenheiten sprechen daher aktuell eher gegen einen Ausbau der Erdgas-Nutzung. Stattdessen soll nun massiv in die Erneuerbaren Energien investiert werden – was aber nicht so einfach von heute auf morgen geht. Belgischer Atomstrom kann auch nach Deutschland fließen Grundsätzlich gibt es weltweit auch immer mehr Stimmen, die die Atomkraft für wichtig im Kampf gegen den Klimawandel halten. Dazu gehört unter anderem auch Microsoft-Gründer Bill Gates. Dabei geht es aber in der Regel um neue Kraftwerke mit modernster Technologie. Die beiden belgischen Meiler wurden hingegen bereits Mitte der 1980er Jahre errichtet und werden am Ende der nun geplanten Laufzeit rund fünfzig Jahre alt sein. Neben Belgien setzt auch Frankreich weiterhin extrem stark auf die Stromversorgung durch Atomkraft. Die Stromnetze der beiden Länder sind zudem mit dem deutschen Netz verbunden. Auch nach dem Atomausstieg hierzulande könnte also noch Atomstrom zur Versorgung zum Einsatz kommen. In Deutschland wurde im Zuge der Ukraine-Krise ebenfalls über eine erneute Verlängerung der Laufzeiten diskutiert. Dafür gibt es aber keine politische Mehrheit. Via: DW Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter