Wer unter einer Binge-Eating-Störung leidet, der erlebt regelmäßig wiederkehrende Essanfälle. Betroffene nehmen innerhalb kurzer Zeit große Nahrungsmengen zu sich und haben das Gefühl, dass sie die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren. Diese Störung geht in der Regel mit Übergewicht und seinen körperlichen Folgen sowie anderen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen einher. Die Behandlung erfolgt meist psychotherapeutisch über die Kognitive Verhaltenstherapie. Forscher:innen haben nun einen Signalweg entdeckt, der einen medikamentösen Behandlungsansatz für die Binge-Eating-Störung bringen kann.


Lipidmolekül reguliert Verlangen nach Fast-Food

In ihrer Studie konzentrieren sich die Forscher:innen auf Neuronen namens „agouti-related peptide neurons (AgRP)“. Diese befinden sich im Gehirn, genauer gesagt im Hypothalamus. Wenn sie aktiviert werden, verursachen sie ein Hungergefühl. AgRP-Neuronen sind daher ein Ansatzpunkt für diverses Projekte im Bereich der Adipositas-Forschung. So konnte etwa gezeigt werden, dass der Einsatz bestimmter Hormone zu einem Sättigungsgefühl führen oder dass die AgRP-Neuronen durch körperliche Aktivität beeinflusst werden können.


Ein internationales Forschungsteam unter der Führung von Johannes Vogt von der Universität Köln hat sich nun erneut mit den AgRP-Neuronen beschäftigt. Dazu untersuchten sie Mäuse in unterschiedlichen Stadien des Fastens. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass die Mäuse höhere Werte eines Stoffes namens Lysophosphatidylcholin (LPC) im Blut aufwiesen. Die Konzentration dieses Stoffes wird von AgRP-Neuronen kontrolliert. Es handelt sich um Fettmoleküle, die im Gehirn in Lysophosphatidsäure (LPA) umgewandelt. Dabei kommt ein Enzym namens Autotaxin (ATX) zum Einsatz.

Medikamente gegen Binge-Eating?

Der Prozess regt Neuronen im zerebralen Kortex an. Im Falle der Mäuse führte dies zum Verlangen nach Fast-Food. Die Forscher:innen fanden heraus, dass dieses Verhalten sich durch einen ATX-Inhibitor normalisieren ließ. Übergewichtige Mäuse, die so behandelt wurden, verloren über einen längeren Zeitraum Gewicht.

Wir haben über Genmutation und pharmakologische Hemmung von ATX eine deutliche Reduktion von übermäßiger Nahrungsaufnahme und Übergewicht zeigen können. Unsere grundlegenden Befunde zur LPA gesteuerten Erregbarkeit des Gehirns, die wir über Jahre erarbeitet haben, spielen also auch für das Essverhalten eine zentrale Rolle„, so Vogt. „ Tatsächlich zeigen die Daten, dass Menschen mit einem gestörten synaptischen LPA-Signalweg vermehrt übergewichtig sind und unter Diabetes Typ II leiden. Das ist ein starker Hinweis auf einen möglichen Therapieerfolg durch ATX-Inhibitoren, die wir derzeit gemeinsam mit dem Hans-Knöll-Institut in Jena zur Anwendung am Menschen entwickeln„, ergänzt sein Kollege Robert Nitsch von der Medizinische Fakultät der Universität Münster.

Die beschriebenen Effekte wurden zwar an Mäusen beobachtet, aber die Forscher:innen fanden Hinweise darauf, dass ähnliche Mechanismen auch bei Menschen existieren. Patienten mit einer eingeschränkten Funktion des LPA-Signalwegs neigen zu Übergewicht und Typ-2-Diabetes. Das Team arbeitet nun daran, Medikamente zu entwickeln, die auf diesen Signalweg abzielen.

via Universität Köln

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