Die Suche nach Materialien, die so hart und beständig sind wie Diamanten, ohne dabei so teuer zu sein, beschäftigt die Wissenschaft bereits seit Jahrzehnten. Den theoretischen Modellen zufolge kommen dafür Kohlenstoffverbindungen in Frage, deren Atome jeweils vier starke kovalente Bindungen untereinander ausbilden. Auch Kristallstrukturen können theoretisch die benötigte Härte bieten. Nun gelang es Chemiker:innen erstmals Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen zu erzeugen, die ähnlich hart sind wie Diamant. Die Existenz solcher Kohlenstoffnitride wurde bereits 1989 postuliert, nun gelang erstmals der eindeutige experimentelle Nachweis. Dabei gelang gleich die Synthese mehrerer Varianten, die auch unter Normalbedingungen stabil bleiben und teilweise neben ihrer extremen Härte auch günstige elektronische und optische Eigenschaften aufweisen. Bild: Laniel et al./ Advanced Materials, CC-BY 4.0 Mehr als drei Jahrzehnte auf der Suche Ein Beispiel für eine Verbindung, die an die Härte von Diamant zumindest heranreicht, ist kubisches Bornitrid (cVN), das eine Druckbelastbarkeit von 395 Gigapascal aufweist. Zum Vergleich: Diamant hat eine Druckbelastbarkeit von 445 Gigapascal. Aber kubisches Bornitrid ist nicht das Ende der Fahnenstange. „Schon 1989 sagten theoretische Modelle voraus, dass hypothetische Feststoffe aus Kohlenstoff und Stickstoff gute Kandidaten für extreme Härte sein könnten„, erklärt ein Team rund um Dominique Laniel von der University of Edinburgh. Diese Kohlenstoffnitride weisen Atome auf, die über vier Bindungen miteinander verbunden sind und so stabile Tetraeder-Einheiten bilden. Dadurch weisen sie hohe mechanische Widerstandsfähigkeit auf. Außerdem können sie exotische thermische, elektronische und optische Merkmale besitzen und sind somit potentiell begehrte Hightech-Materialien. Allerdings: „Auch nach mehr als drei Jahrzehnten der Syntheseversuche gibt es keinen eindeutigen Beweis für ihre Existenz„, erklären die Chemiker:innen. Laniel und seine Kolleg:innen haben in einem neuen Versuch die Synthese unter noch höheren Drücken versucht. In ihrem Experiment platzierten die Chemiker:innen verschiedene Vorläuferverbindungen aus Stickstoff und Kohlenstoff in einer Diamantstempelzelle, in der Drücke von 70 bis 140 Gigapascal herrschten. Außerdem heizten sie die Proben noch mithilfe eines Lasers auf Temperaturen von bis zu 2300 Grad Celsius auf. Vier verschiedene Varianten von Kohlenstoffnitriden Diese Art der Behandlung führte dazu, dass vier verschiedene Varianten der gesuchten Kohlenstoffnitride entstanden, die aus den Grundeinheiten CN, CN2 und C3N4 in unterschiedlicher numerischer Verteilung sowie in verschiedenen Anordnungen bestehen. Den Chemiker:innen gelang es damit weltweit erstmals, diese bereits vor längerer Zeit vorhergesagten Kohlenstoffnitride zu synthetisieren. Die vier verschiedenen Varianten haben eine Gemeinsamkeit: „Alle vier Kohlenstoffnitride bestehen aus vollständig gesättigten Kohlenstoff- und Stickstoff-Atomen, das bedeutet, dass alle Kohlenstoffatome vier Einzelbindungen aufweisen und alle Stickstoffatome drei Einzelbindungen„, so die Forscher:innen. Es entsteht eine Struktur aus Tetraedern, die als Voraussetzung für große Härte und Ultainkompressibilität gilt. Nachdem die kristallinen Verbindungen unter extremen Drücken und Temperaturen hergestellt werden, bleiben sie unter Normalbedingungen stabil. „Dies ist das erste Mal, dass Materialien, die bei mehr als 100 Gigapascal erzeugt wurden, sich unter normalen Bedingungen erhalten lassen„, so die Chemiker:innen weiter. Härter als Diamant mit zusätzlichen Eigenschaften Die Forscher:innen testeten die neu synthetisierten Kohlenstoffnitride, indem sie Proben der C3N4-Varianten abkühlen ließen und dann erneut in die Diamantstempelzelle steckten, wo sie sie unter Druck setzten. Das Resultat: „Diese Prozedur resultierte in Eindellungen des Diamantstempels. Dies demonstriert, dass diese Feststoffe eine Härte vergleichbar der des Diamants haben müssen. Dies ist die lange erwartete Antwort auf die seit drei Dekaden anhaltende Suche nach Alternativen für Diamant und kubisches Bornitrid“ Allerdings sind die neu synthetisierten Kohlenstoffnitride dem Diamant nicht nur ähnlich, was die mechanischen Eigenschaften angeht, sondern sie können auch noch einige günstige Merkmale aufweisen, darunter etwa eine hohe Photolumineszenz und nichtlineare optische Eigenschaften, die etwa in der Photonik gebraucht werden. Außerdem stellte sich heraus, dass die Kohlenstoffnitride piezoelektrisch sind, also beim Verbiegen Energie in Form von Elektronen freigeben. „Die dabei erreichten Werte sind zwei bis viermal höher als bei Quarz, das ein piezoelektrisches Standardmaterial ist„, so die Forscher:innen. Aufgrund der durchgeführten Modellkalkulationen geht das Team zudem davon aus, dass die Kohlenstoffnitride vorteilhafte elektronische Eigenschaften aufweisen. Mit Bor dotiertes C3N4 erwies sich bereits als Supraleiter. Der demonstrierte Syntheseweg für diese Kohlenstoffnitride ist zwar noch recht aufwendig, aber die Forscher:innen sehen gute Chancen dafür, dass auch andere Synthesemethoden gefunden werden könne, die weniger extreme Drücke erfordern. via Universität Bayreuth Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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