Das Coronavirus SARS-CoV-2 greift nicht nur die Lunge, sondern auch den Darm, die Nieren, die Blutgefäße und andere Gewebe an. Auch die Nerven und das Gehirn kann unter den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus leiden, wie chinesische Forscher bereits im April herausfanden. Ein Team der University of Liverpool fand nun heraus, dass schwere neurologische Komplikationen auch bei milden Verläufen und jüngeren Patienten auftreten können. Covid-19 führt zu schweren neurologischen Komplikationen Eine Infektion mit dem Coronavirus geht nicht selten auch mit Riechstörungen einher. Dies legt nahe, dass das Virus über den Riechnerv bis ins Gehirn vordringen kann. Ein Team um Mark Ellul von der University of Liverpool hat Fallberichte und Studien aus aller Welt ausgewertet und 901 Fälle von Covid-19-Patienten mit neurologischen Komplikationen analysiert, um der neurologischen Komponente der Erkrankung auf den Zahn zu fühlen. Dabei fanden die Forscher heraus, dass die Coronavirus-Infektion neben leichten neurologischen Symptomen wie etwa Riechstörungen, Kopfschmerzen oder Schwindel auch schwere entzündliche Erkrankungen von Nerven und Gehirn nach sich ziehen kann. Besonders häufig fanden die Forscher Hirnentzündungen und großräumige Funktionsstörungen des Gehirns. Aber auch Entzündungen und Ausfallerscheinungen des Rückenmarks und peripherer Nerven können auftreten. Unklar ist dabei allerdings, ob die neurologischen Komplikationen durch das Virus direkt ausgelöst werden oder ob die Verantwortung eher bei der Immunantwort auf das Virus zu suchen ist. Eine weitere mögliche Komplikation ist das Guillain-Barré-Syndrom, bei dem bekannt ist, dass eine Autoimmunreaktion nach einer Infektion eine vorübergehende Lähmung durch entzündliche Nervenveränderungen auslöst. Folgen auch bei milden Verläufen Die Forscher deckten außerdem auf, dass auch ein milder Covid-19-Verlauf nicht vor den neurologischen Komplikationen schützt. Sie fanden mehrere Fälle, bei denen die Patienten vorher keine oder nur schwache Atemwegssymptome zeigten, aber dennoch schwere neurologische Effekte entwickelten. Dies kann auch bei jüngeren Menschen geschehen. Die Forscher fanden den Fall eines 24-jährigen Mannes in Japan, der anfangs nur Halsschmerzen, Fieber und Erschöpfungszustände hatte, dann nach neun Tagen aber Verwirrtheitszustände und Krampfanfälle bekam. Letztere Symptome lagen an einer schweren Hirnentzündung, ausgelöst durch Covid-19. Der Mann musste letztlich wegen seiner Krampfanfälle intubiert und beatmet werden. „Es ist wichtig, dass Mediziner weltweit sich dessen bewusst sind, dass Covid-19 auch Enzephalitis und andere Hirnveränderungen verursachen kann. Denn sie können schwere, manchmal lebensverändernde Folgen nach sich ziehen„, so Ava Easton, die an der Studie beteiligt war. Schäden an den Myelinscheiden Die Forscher fanden außerdem ein neurologisches Syndrom, das normalerweise nahezu exklusiv bei Kindern auftritt, im Rahmen einer Coronavirus-Infektion aber auch häufig bei Erwachsenen aufzutreten kann: die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM). Dabei greift das Immunsystem nach einer Infektion die Myelinscheiden der Nervenbahnen an. Mögliche Folgen sind Kopfschmerzen, Sehstörungen, Gangstörungen, Krampfanfälle und Lähmungen. DAs Team fand den Fall einer US-Amerikanerin mittleren Alters, die nach einer Coronavirus-Infektion Sprachstörungen und eine Lähmung der linken Gesichtshälfte entwickelte. Vorher hatte die Frau nahezu keine Symptome. Die Fälle häufen sich Eine Häufung neurologischer Komplikationen bei Covid-19-Erkrankungen fand auch ein Team um Michael Zandi vom University College London. Die Wissenschaftler untersuchten 43 Covid-19-Patienten, die am Universitätsklinikum behandelt wurden, weil sie neurologische Komplikationen zeigten. „Insgesamt haben wir mehr solcher neurologischer Fälle identifiziert als wir erwarteten – und nicht immer hatten diese Patienten ausgeprägte Atemwegssymptome„, so Zandi. Der Anteil solcher Komplikationen sei im Vergleich zu sonstigen Symptomen eher gering, summiere sich aber aufgrund der hohen Zahl an Covid-19-Fällen. „Ob wir eine mit der Pandemie verknüpfte Epidemie der Hirnschäden sehen werden, bleibt abzuwarten„, so Zandi weiter. Einen ähnlichen Effekt konnte man nach der Spanischen Grippe 1918 beobachteten. Damals erkrankten weltweit ungewöhnlich viele Menschen an einer Art Schlafkrankheit namens Enzephalitis lethargica. Der Zusammenhang mit der Influenza konnte nicht belegt werden, wird aber von diversen Forschern vermutet. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter