Erkrankungen des Herzkreislaufsystems sind weltweit die Todesursache Nummer eins. Was wäre, wenn es möglich wäre, sich gegen die wichtigsten koronaren Erkrankungen impfen zu lassen. Forscher:innen behaupten, dass Fortschritte in der Gentechnik, insbesondere bei der CRISPR-Technologie, in Zukunft dazu führen könnten, dass es Impfungen geben wird, die die eigene DNA so verändern, dass ein lebenslanger Schutz entsteht. Gleiches könnte auch für die Volkskrankheit Diabetes gelten.


Base Editing: Basen ersetzen statt DNA zerschneiden

In ihren Anfängen wurde die CRISPR-Technologie vor allem dafür verwendet, Bereiche aus der DNA wegzuschneiden. So entstand auch der umgangssprachliche Begriff der Genschere. Heute allerdings testen Forscher:innen CRISPR auch im Hinblick auf die Veränderung genetischen Codes – bis hin zum Einfügen völlig neuer DNA-Abschnitte oder gar ganzer Gene in den genetischen Code des Menschen.


Das bedeutet, dass CRISPR potentiell auch bei der Behandlung von nicht genetischen Krankheiten helfen könnte. So startete das Unternehmen Verve Therapeutics etwa 2022 eine Studie, bei der eine CRISPR-basierte Technologie auf ihre Fähigkeit hin getestet wurde, das Genom des Menschen so zu verändern, dass dadurch der Cholesterinspiegel dauerhaft gesenkt wird.

Viele innovative Technologien wurden bisher nur unter Laborbedingungen oder im Tiermodell getestet. CRISPR allerdings wurde bereits an Menschen getestet – eine erstaunliche Entwicklung für eine Technologie, die erst seit gut 10 Jahren existiert. Neuere CRISPR-Behandlungen basieren normalerweise auf direkten Veränderungen der DNA im Genom. Die erste CRISPR-Generation beschränkte sich vornehmlich noch darauf, Schnitte in der DNA vorzunehmen, die dann durch von der Zelle selber repariert wurden. Neuere Generationen allerdings arbeiten anders – etwa mit sogenanntem Base Editing, was von Forscher:innen auch als CRISPR 2.0 bezeichnet wird. Diese neue CRISPR-Technologie zielt auf die Basen in der DNA ab.

Anstatt die DNA einfach zu zerschneiden, können beim Base Editing Basen untereinander umgewandelt werden. „Es funktioniert nicht mehr wie eine Schere, sondern eher wie ein Bleistift mit Radiergummi„, so Kiran Musunuru, der als Mitbegründer und leitender wissenschaftlicher Berater von Verve Therapeutics mit CRISPR 2.0 arbeitet. Theoretisch ist diese Technologie sicher als die ursprüngliche Version von CRISPR, da die DNA nicht zerschnitten wird. So ist die Gefahr geringer, dass versehentlich ein wichtiges Gen deaktiviert wird oder dass die DNA fehlerhaft wieder zusammengesetzt wird.

Von CRISPR 2.0 zu CRISPR 3.0

Bei der cholesterinsenkenden Therapie, die Verve Therapeutics getestet hat, kommt das Base Editing zum Einsatz. Es gibt aber inzwischen bereits eine Weiterentwicklung. Diese wird als „Prime Editing“ bezeichnet, es handelt sich essentiell um „CRISPR 3.0“. Mit Hilfe dieser Technik können Forscher:innen nicht nur einzelne Basen ersetzen, sondern ganze Teile der DNA tauschen oder auch neue Abschnitte mit genetischem Code einsetzen. Das Verfahren ist noch sehr jung, ihm wird aber ein enormes Potential zugesprochen.

Durch Prime Editing könnten die Einsatzmöglichkeiten von CRISPR drastisch erweitert werden. Mit Prime Editing könnten völlig neue Gene in das Genom eingefügt werden, was viele weitere genetische Störungen als Therapieziel erschließen würde.

Denn wenn sich die Technologie durchsetzt und wirklich wie angedacht funktioniert, dann könnte sie die Medizin verändern. Denn für viele Erkrankungen gibt es zahlreiche genetische Einflussfaktoren, die zu ihrer Entstehung beitragen. Durch Genkorrektur könnten diese Einflussfaktoren allerdings faktisch elimiert werden. „Wenn man eine neue korrekte Kopie des Gens einfügt, spielt es vielleicht keine Rolle mehr, welche Mutation man hat. Man fügt eine funktionierende Kopie ein und das reicht dann„, so Musunuru.

Die neuen Formen von CRISPR könnten den Einsatzbereich der Gen-Editierung also deutlich erweitern und viele Krankheiten behandeln. Diese Krankheiten müssten nicht einmal zwingend von genetischen Mutationen verursacht werden, es würde reichen, wenn sie genetischen Einflüssen unterliegen würde. Laut Musunuru ist die Behandlung von Verve Therapeutics zur dauerhaften Senkung des Cholesterinspiegels ein erstes Beispiel für eine CRISPR-Behandlung, von der mittelfristig ein Großteil der erwachsenen Menschen auf der Welt profitieren könnten.

Behandlung gesunder Menschen birgt ethische Probleme

Bei der Behandlung von Verve Therapeutics wird ein Gen dauerhaft deaktiviert, das das Protein PCSK9 codiert. Dieses spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Cholesterinspiegels im Blut. Seine Deaktivierung führt dazu, dass weniger Cholesterin gebildet wird. „Selbst wenn man von einem normalen Cholesterinspiegel ausgeht und PCSK9 ausschaltet und den Cholesterinspiegel noch weiter absenkt, verringert sich das Risiko eines Herzinfarkts„, erklärt Musunuru.

Das Verfahren konnte sich bereits in Experimenten mit Affen und Mäusen beweisen und den Cholesterinspiegel der Tiere innerhalb weniger Tage um 60 bis 70 Prozent senken – und zwar dauerhaft. Verve Therapeutics möchte in einigen Jahren mit ersten klinischen Studien an Menschen beginnen. Danach würde ein aufwändiger Zulassungsprozess folgen. Bis diese und ähnliche Therapien zugelassen sind und in der Klinik verwendet werden können, wird also noch einige Zeit vergehen. Hinzu kommt, dass genetische Veränderungen bei gesunden Menschen noch größere ethische Herausforderungen bergen als bei Menschen, die an einer genetischen Krankheit leiden. Die Anwendung von CRISPR bzw. Tests mit der Technologie beschränkten sich bisher auf Menschen mit seltenen genetischen Erkrankungen – aus gutem Grund. Es handelt sich dabei um Menschen, für die keine andere Behandlungsmethode zur Verfügung steht und die nur wenige Möglichkeiten haben. In solchen Fällen fallen die ethischen Abwägungsprozesse ein wenig anders aus.

via Verve Therapeutics

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