Das Fahrwerk von Zügen spielt eine wichtige Rolle wenn es darum geht, einen schnellen, sicheren und zuverlässigen Bahnverkehr aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund arbeiten Forscher:innen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des Leitkonzepts Next Generation Train an einem neuartigen Fahrwerksdesign, bei dem auf durchgehende Radachsen verzichtet wird. Bild: DLR Der Zug von morgen mit neuem Fahrwerkskonzept „Jedes Rad wird separat angetrieben und intelligent gesteuert„, teilte das Forschungszentrum mit. „Züge könnten so effizienter und leiser unterwegs sein, Rad und Schiene dabei weniger verschleißen. Die Struktur und die eingesetzten Materialien sind bei diesem Hightech-Fahrwerk auch in den Antriebsmotoren so optimiert, dass sie möglichst leicht sind. Weniger Gewicht senkt den Energieverbrauch und ermöglicht mehr Zuladung. Auch bei der Konstruktion und Gestaltung des Wageninnenraums entstehen neue Freiheitsgrade, weil die räumlichen Einschränkungen durch Radachsen entfallen„, erläutert der Projektleiter des DLR-Instituts für Systemdynamik und Reglungstechnik, Andreas Heckmann. In herkömmlichen Zügen werden unter dem Wagenkasten Drehgestelle montiert, die mit meist zwei Radsätzen als Fahrwerke agieren. Die Gestelle können sich gegenüber dem Wagenkasten bewegen, sodass sie sich entlang von Kurven und Gleisbögen ausrichten. Die Radsätze richten sich automatisch zur Gleismitte hin aus, sodass die Spur gehalten wird. Es handelt sich dabei um ein Grundprinzip, das seit Jahrzehnten kaum verändert wurde. Neben einem deutlich höheren Abrieb hat dieses Prinzip auch Nachteile in Kurven. Die Drehgestelle sind so groß und schwer, dass sie ein entscheidender Sicherheitsfaktor bei der Konstruktion eines Zuges sind. Auch auf die Effizienz des Zuges haben sie eine große Auswirkung. Dies wird besonders bei doppelstöckigen Wagons zum Tragen, da die Reisenden auf der unteren Ebene per Treppe über die Radachsen steigen müssen. Würde man auf der unteren Ebene einen ebenen Boden konstruieren, wären die doppelstöckigen Waggons zu hoch. Gleichzeitig haben doppelstöckige Modelle den Vorteil, die vorhandenen Gleiskapazitäten besonders günstig und effektiv nutzen zu können. Regelungstechnik ist eine Herausforderung Bevor das NGT-Fahrwerkskonzept umgesetzt werden kann, müssen allerdings noch einige Hürden gemeistert werden. Eine der größeren davon ist die Regelungstechnik. Für das Beispiel einer 400 km/h schnellen hochgeschwindigkeitsbahn erklärt Heckmann dies wie folgt: „Wir haben einen 200 Meter langen Zug mit zehn Wagen. Die beiden Endwaggons haben je acht Räder, die acht Mittelwagen je vier Räder. Insgesamt sind wir dann bei 48 Rädern, die alle einzeln gesteuert und geregelt werden müssen.“ Jedes Radpaar, das aus jeweils einem linken und einem rechten Rad besteht, verfügt über einen eigenen Steuerungscomputer im Wagenkasten sowie eine eigene Sensorik. Dies mache das System sehr komplex. Die Position des Paares im Spurkanal müsse konstant gemessen und gesteuert werden, was eine besondere Herausforderung darstellt. Allerdings könne man so auch erstmals festlegen, wo genau das Rad auf der Schiene laufen soll. So lasse sich der Verschleiß des Rades wesentlich besser steuern. Dabei beträgt die Genauigkeit zwischen einem zehntel und einem halben Millimeter. Durch die hochkomplexe Sensorik könne man zudem zuverlässig Daten über den Zustand der Strecke gewinnen. Erste Simulationen sind vielversprechend In ersten Modellsimulationen sowie bei Experimenten mit einem Modell des neuen Fahrwerks im Maßstab 1:5 produzierte das Konzept vielversprechende Ergebnis, weshalb das Team nun für die Verkehrstechnikmesse InnoTrans in Berlin ein Funktionsmodell in Echtzeit gebaut – inklusive Prüfstand. Mit dieser Anordnung wollen sie das Fahrwerk erstmals zum Laufen bringen sowie die Funktion und Position der Sensoren testen. In den nächsten Jahren soll diese Technologie dann weiterentwickelt und demonstriert werden, sodass sie danach auf speziellen Prüfständen bei externen Schienendienstleistern überprüft werden kann. Danach soll so bald wie möglich ein Praxistest auf der Schiene folgen. Slip Coaching: Moderner Zugverkehr nach altem Vorbild Auf der InnoTrans stellt das DLR außerdem das sogenannte „virtuelle Kuppeln“ vor. Bei diesem Konzept existiert bei entsprechend verknüpften Zugverbänden keine mechanische Verbindung zwischen den einzelnen Triebzug-Einheiten mehr. Auch hier soll das NGT-Konzept zum Einsatz kommen. Zugverbände könnten so dynamisch während der Fahrt verkleinert oder vergrößert werden. Diese Technik würde auch ein neues Betriebskonzept ermöglichen, das an das historische Konzept des sogenannten „Slip Coaching“ angelehnt ist. Im Rahmen dieses Verfahrens verkehren mehrere Zugteile virtuell gekoppelt zwischen Knotenbahnhöfen. Zwischenstationen werden dann nur von einzelnen Zugteilen angefahren, während der Hauptzug mit voller Geschwindigkeit weiterfahren kann. So dürfte ein verbessertes Angebot mit schnelleren Taktungen und verringerten Reisezeiten möglich sein. via DLR Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter