Einer Umfrage in 16 verschiedenen Ländern zufolge gehen die deutschen Kinder von allen anderen am wenigsten gerne zur Schule. Sogar in Algerien und Äthiopien freuen sich die Schüler viel mehr auf den Unterricht als hier! Stunde für Stunde, Fach für Fach einen theoretisch orientierten Lehrplan abzuarbeiten, scheint schon lange nicht mehr das gelbe vom Ei zu sein – vielleicht war es das sogar noch nie. Eine Detmolder Schule geht nun ganz andere Wege.


Unter Zahlen und Buchstaben erstickt die Fantasie

Der Lernfrust ist weit verbreitet, unter Zahlen, Buchstaben und Hausarbeiten erstickt förmlich die Fantasie. Für eigene Ideen und Interessen ist sehr wenig Platz in unserem Schulsystem, geschweige denn für das freie Lernen nach individuellem Gusto, ganz ohne Druck. In der Detmolder Peter-Gläsel-Grundschule gibt es dies alles – und noch viel mehr! Lehrkräfte heißen an dieser Bildungsstätte Lernbegleiter, sie unterstützen die Kinder bei der interessengesteuerten, kreativen Entfaltung. Einzelne Schulfächer gibt es nicht, sondern es wird nach Themen gelernt, die dann in möglichst vielen Wissensbereichen aufgearbeitet werden.


Kunst und Kultur stehen im Mittelpunkt allen Lernens

Beispielsweise kamen die Kinder einmal auf die Idee, gemeinsam ein Kunstwerk aus Tausenden von Streichholzschachteln zu gestalten; das Projekt wurde so lange fortgeführt, wie die Beteiligten Lust daran hatten. Nebenbei lernten die Schüler alles Wichtige über Holz und Feuer, außerdem führten sie Rechenaufgaben mit Streichhölzern durch. Kunst und Kultur stehen an dieser Schule ohnehin im Mittelpunkt, aus diesen beiden kreativen Komponenten lässt sich erstaunlich vieles ableiten! Weitere konkrete Themenblöcke sind »Religion und Verantwortung« sowie »Flucht und Heimat« – die Orientierung an die Vorgaben des Kultusministeriums ist selbstverständlich gegeben. Ebenso gehören die 17 globalen Ziele der UN zum Unterrichtsstoff: Die Lehrer müssen eben erfinderisch sein in der Art, wie sie das zu vermittelnde Wissen einbinden.

Foto: School, CollegeDegree360, Flickr, CC BY-SA 2.0

Bulimielernen hat keinen Platz in diesem neuen Schulsystem

Das von Mitbegründer Josef Kohler erdachte PRRITTI®-Modell bildet die Basis des alternativen Schulsystems: Selbständigkeit, Erfindergeist und praktische Erfahrungen spielen hierbei eine große Rolle – Bulimielernen hingegen hat keinen Platz darin. Der Unterricht endet in der Peter-Gläsel-Schule um 15 Uhr, eine Betreuung findet bis 17 Uhr statt. Hausaufgaben gibt es keine: Das allein wäre für die meisten Kinder bereits eine Art Offenbarung! Der Schulstart erfolgte im Jahr 2015, darum haben es noch keine Schüler dieser alternativen Schulform bis auf eine weiterführende Einrichtung gebracht. Wie der Anschluss – und die knallharte Umgewöhnung – funktioniert, bleibt also noch offen. Aber vielleicht gibt es ja alsbald eine Peter-Gläsel-Gesamtschule!

Quelle: goodimpact.org, finanznachrichten.de, news4teachers.de

3 Kommentare

  1. eisvogel

    16. Dezember 2017 at 12:16

    Die Kinder tun mir leid, sie werden es in einer leistungsorientierten Gesellschaft einmal schwer haben. Außer man erledigt die Arbeit mal eben so, wozu man grad Lust und genügend Phantasie hat.
    Ein Land mit so einer Gesellschaft wird auf Dauer untergehen.
    Seht euch mal die Chinesen an, mit ihrem Leistungsdruck überholen sie die ganze Welt.

  2. David Kummer BGE

    17. Dezember 2017 at 07:29

    Ich bin nicht ganz so pessimistisch wie mein Vorredner, dennoch ist es nicht abzustreiten, das es für diese Schüler schwer wird. Bis zum Alter von 10-12 ist das Interesse zum lernen weit aus Höher als der Drang sich aufzulehnen.
    Richtig interesant wird also erst eine Gesamtschule in der dieses Modell des Lernens gehöhrt.
    Was ich gut finde, ist das die Schule so lang ihre Schützlinge beschäfftigt. Ich weiss das ich in dieser Zeit meist schon um 12-13Uhr schluss hatte, danach noch Hausaufgaben(1-2h) und dann war Freizeit angesagt.

    Wir sollten das System aber nicht mit der Standardbildung vergleichen. Wie wäre das auch möglich? Normal werden 3 von 10 Gedächtnisregionen in der Schule ausgebildet. Der Rest wird nicht erwähnt oder sträflich vernachlässigt.
    Was ich mir für unser Schulsystem wünsche, ist ein Fach in dem alle Lernen zu Diskutieren. Das Thema ist dabei völlig egal und sollte es auch sein. Einen Standpunkt zu vertreten, und zu Argumentieren, ist wichtiger. So würden alle lernen, auch ihr eignes Handeln besser zu verstehen.

  3. Ines

    21. Dezember 2017 at 13:53

    An Eisvogel: Ich sehe das anders. Diese Kinder werden an problemorientiertes Denken gewöhnt. Das mag für die leistungsorientierte Gesellschaft im Moment nicht hilfreich sein, aber für das LEBEN schon. Unser heutiges Schulsystem bereitet Kinder nicht auf ein erfülltes Leben vor (in dem sie eigene Projekte aus Interesse verfolgen), sondern aufs Funktionieren in der Leistungsgesellschaft, die auf Druck und Zwang basiert, und wo Individualität und kritisches Denken ausdrücklich nicht erwünscht sind. Wenn man an dieser Gesellschaft etwas ändern will, fängt man am besten damit an, es nicht weiter zu bedienen. Es kann natürlich sein, dass Sie ein absoluter Verfechter der Leistungsgesellschaft sind, dann ist Ihr Standpunkt konsequent und folgerichtig. Aber wenn Sie dagegen wahrnehmen, dass die meisten Leute unglücklich sind, ihre Arbeit hassen oder nur aus finanziellen Zwängen heraus machen, dass viele ausgebrannt und nervlich überbelastet sind, dass viele Familien am Leistungsdruck scheitern und unsere Kinder genau diese Symptome in immer jüngeren Jahren auch aufweisen, dann sehe ich keinen Grund, diese Leistungsgesellschaft zu verteidigen und weiterzuführen. Und statt die Kinder und deren Bildung an ein fragwürdiges System anzupassen, ist es sinnvoller, das System an das Potential der Menschen anzupassen.

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