Multiresistente Erreger sind in den letzten Jahren deutlich auf dem Vormarsch. Inzwischen ist die Situation derart dramatisch, dass auch die sogenannten Reserveantibiotika nur noch bedingt wirken. Dabei handelt es sich um bewusst nur sehr selten verabreichte Antibiotika. Der Bedarf an neuen Wirkstoffen ist daher hoch – allerdings stagniert die Antibiotika-Entwicklung seit Jahrzehnten. Forscher:innen fanden nun heraus, dass bestimmte Bakterien in unserer Nase und auf unserer Haut einen Wirkstoff produzieren, der antibiotisch wirkt. Es handelt sich um eine bisher völlig unbekannte Wirkstoffklasse, was Hoffnungen im Kampf gegen multiresistente Erreger weckt.


Spritze mit zwei Tropfen
Foto: Syringe With 2 Drops, ZaldyImg, Flickr, CC BY-SA 2.0

Ganz neue Wirkstoffklasse aus der Nase

Wir brauchen dringend neue Wirkstoffe und Behandlungsmethoden„, resümiert Andreas Peschel von der Universität Tübingen, ein Seniorautor der Studie, bezüglich der Situation im Kampf gegen multiresistente Erreger. Gemeinsam mit seinen Kolleg:innen hat er sich deshalb auf die Suche nach neuen antibiotischen Wirkstoffen gesucht. Als Ansatzpunkt wählte das Team den menschlichen Körper, der sowohl von großen Zahlen gutartiger Bakterien als auch von Krankheitserregern besiedelt ist. Vor allem in der Nase, auf der Haut und um Darm findet sich eine sehr diverse Bakterienpopulation. Dass manche dieser Bakterien Wirkstoffe produzieren, die antibiotisch wirken, ist schon seit einer Weile bekannt. Die Forscher:innen suchten daher in Abstrichen des menschlichen Mikrobioms nach derartigen Organismen.

Auf der Schleimhaut der Naseninnenwand wurden sie dann fündig. Dort leben Bakterien der Art Staphylococcus epidermis, die den Wirkstoff Epifadin produzieren. Ähnliche Bakterien fand das Team auch auf der Haut. Analysen zeigten, dass Epifadin die Zellmembran diverser anderer Bakterienarten zerstört und die Mikroben so tötet. Epifadin wirkte dabei auch gegen Bakterien aus dem Darm sowie gegen einige Pilze. Der Wirkstoff hat ein ungewöhnlich breites Zielspektrum und tötet unter anderen auch den Krankheitserreger Staphylococcus aureus, der auch häufig die Nasenschleimhaut befällt. Der Erreger ist auch als Krankenhauskeim bekannt und in seiner antibiotikaresistenten Form MRSA einer der gefährlicheren multiresistenten Erreger.


Neue Antibiotika im Kampf gegen multiresistente Keime

Die Entdeckung von Epifadin eröffnet die Chance auf neue Antibiotika. „Epifadin begründet eine neue, bisher unbekannte Mikroorganismen-abtötende Wirkstoffklasse, die als Leitstruktur zur Entwicklung von neuartigen Antibiotika genutzt werden könnte„, so die Forscher:innen.

Chemisch betrachtet handelt es sich bei Epifadin um ein Molekül, das aus einem Peptid, einer Aminosäureeinheit und einer Polyketidkomponente besteht. Der Wirkstoff ist äußert instabil und daher selbst unter Laborbedingungen nur wenige Stunden aktiv. Insbesondere auf Kontakt mit Licht reagiert das Molekül recht empfindlich. Dies ist allerdings bei der Behandlung von Krankheiten ein Vorteil, da Epifadin so trotz seines breiten Spektrum nur lokal wirkt. Die Verwendung gängiger Breitbandantibiotika geht oft mit „Kollateralschäden“ einher. Dies ist bei Epifadin eher unwahrscheinlich.

Auf der Suche nach einer stabileren Form

Neben dem Einsatz als lokal wirkendes Antibiotikum wäre auch eine Art „Impfung“ spezifischer Gewebe mit den Viren denkbar, die Epifadin erzeugen. Durch die gezielte Ansiedlung der Bakterien könnte das Wachstum multiresistenter Krankheitserreger unterdrückt werden. So könnte bakteriellen Infektionen vorgebeugt werden.

Ob es letztlich möglich sein wird, den Wirkstoff auch in Reinform zu verabreichen, ist wegen seiner relativ kurzen Haltbarkeit noch unklar. Diese kurze Haltbarkeit ist es auch, die es schwer macht, aus der Struktur des Moleküls heraus auf seine genaue molekulare Wirkung zu schließen. Die Forscher:innen wollen in absehbarer Zukunft künstliche Moleküle mit einer vergleichbaren Struktur herstellen und hoffen, dass diese eine ähnliche Wirkung wie Epifadin haben werden, dabei aber stabiler sind.

via Universität Tübingen

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