Forscher von der Georgetown University und der Technischen Universität München haben herausgefunden, dass eine gestörte Schaltzentrale im menschlichen Gehirn für die Entstehung der lästigen Tinnitus-Ohrgeräusche verantwortlich ist. Darüber hinaus stellten die Experten auch fest, dass Tinnitus-Patienten und Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, identische Anomalien im Gehirn aufweisen. Die neuen Erkenntnisse sorgen nicht nur für mehr Klarheit im Hinblick auf die Entstehung von Tinnitus, sondern bieten auch weitere Ansätze für neue und effektivere Therapien. Tinnitus und chronische Schmerzen mit gemeinsamer Ursache Zusammenfassend gilt nach dem aktuellen Wissensstand der Forschung festzuhalten, dass chronische Schmerzen und Ohrgeräusche eine gemeinsame neuronale Wurzel haben. Bei den betroffenen Personengruppen liegt ein Defekt bei den Hinarealen vor, die dafür verantwortlich sind Reize zu filtern. Versinnbildlicht handelt es sich dabei um „Türsteher“, die bei gesunden Menschen regeln welche Informationen von den Sinnesorganen in das Bewusstsein dringen und einer Weiterverarbeitung zur Verfügung stehen. „Außerdem sind diese Hirnbereiche wichtig, um emotionale Erfahrungen zu bewerten und zu modifizieren. Sie bestimmen so den emotionalen Gehalt unserer Sinneseindrücke.“, erklärt Josef Rauschecker von der Georgetown University. Gestörte Filter konnten bisher nicht ausfindig gemacht werden Bei Menschen mit Tinnitus weisen die Hirnreale und genauer gesagt der Nucleus accumbens und der ventromediale präfrontale Cortex strukturelle und auch funktionale Veränderungen auf. Bisher war unklar wo die speziellen Filter sitzen, die unter anderem auch störende Geräusche selektieren. Mit der nun genau vornehmbaren Bestimmung, können Tinnitus-Therapien in Zukunft noch effizienter durchgeführt werden. Für den Fund durchforsteten die Forscher eine große Menge bildgebender und analytischer Verfahren. Kommt es zu einem Ausfall der „Türsteher“ werden auch Sinnesreize weitergeleitet, die von außerhalb kommen oder direkt im Gehirn gebildet werden, die eigentlich ausgefiltert werden. Die Folge ist, dass Menschen Geräusche hören, die teilweise objektiv nicht nachvollziehbar sind. Die Forscher weisen dazu darauf hin, dass bei Menschen mit Veränderungen im Nucleus accumbens und im ventromedialen präfrontalen Cortex die jeweils in den Arealen befindliche graue Masse verringert war. Zudem sind die funktionalen Verknüpfungen zu anderen Hinarealen abweichend von denen gesunder Menschen. Interessant ist auch, dass die Forscher mit dem aktuellen Fund auch nachweisen können, dass eine Störung des Systems nicht nur Tinnitus sondern auch chronische Schmerzen hervorrufen kann. Schließlich verspüren auch Patienten mit chronischen Schmerzen einen Schmerz, dessen Ursache eigentlich schon als behoben galt. Hierbei tritt das Schmerzgedächtnis im Gehirn in Kraft, was immer noch dafür sorgt, dass Schmerzsignale ausgesendet werden. „Das Gehirn spürt weiterhin die ursprüngliche Verletzung, weil es die Schmerzsignale nicht mehr herunterregeln kann“, ergänzt Josef Rauschecker. Beeinflussung bestimmter Botenstoffe könnte Tinnitus heilen Final halten die Forscher fest, dass die Botenstoffe Dopamin und Serotonin eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Funktionsweise der Türsteher im Gehirn spielen. Werden diese neuronalen Transmitter also beeinflusst, kann dies zu einer effektiveren Behandlung von Tinnitus und auch chronischer Schmerzen führen. Im Kern können nach weiteren Untersuchungen auch frühere Behandlungen gezielter durchgeführt und der Behandlungszeitraum minimiert werden. Die Veränderung der Botenstoffe dürfte mit der Einnahme von Medikamenten einhergehen. In der Folge könnte es zu einer „Heilung“ der umstrukturierten Hirnreale kommen und der Tinnitus beziehungsweise der chronische Schmerz verschwinden. Zuletzt haben wir über eine weitere Methode berichtet, die Tinnitus-Patienten Hoffnung auf Heilung geben soll. Dabei wird die Kombination aus Smartphone und einer speziellen App favorisiert. Die Smartphone App spielt nach Einstellungen durch Fachärzte die Lieblingsmusik ohne Störgeräusche ab. Dabei soll sich ein Trainings-Effekt einstellen und das Gehirn wieder lernen die Störgeräusche zu filtern. Das würde nach der aktuellen Kenntnislage dann ebenfalls bedeuten, dass diese Methode sich langfristig auf die betroffenen veränderten Hinareale auswirkt. Es müsste daher untersucht werden, ob das auch wirklich so ist. Falls die Methode keine Änderungen herbeiführt, sondern lediglich beim Abspielen der Musik lindert, wäre der Erfolg gleich Null. Aufgrund des Trainings könnte sich jedoch auch wieder neue graue Masse bilden. Eine durchaus spannende Geschichte also. Quelle: Fachzeitschrift Cell Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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