Antibiotika sind die wichtigste Waffe der Medizin beim Kampf gegen bakteriell verursachte Infektionskrankheiten. Allerdings droht den Ärztinnen und Ärzten weltweit so langsam die Munition auszugehen. Denn immer mehr Bakterien entwickeln Resistenzen gegen die lebensrettenden Medikamente. Selbst die für Notfälle zurückgehaltenen Reserve-Antibiotika wirken in vielen Fällen nicht mehr so gut wie in der Vergangenheit. Verantwortlich dafür ist vor allem die Tatsache, dass die Mittel viel zu oft zum Einsatz kommen. So werden sie teilweise unnötigerweise verschrieben. Und in der Tierzucht kommen sie sogar prophylaktisch zum Einsatz. Mit jeder Nutzung erhöht sich aber die Wahrscheinlichkeit von neuen Resistenzen. Eine mögliche Lösung der Problematik besteht darin, konstant neue Antibiotika zu entwickeln. Doch dies ist für viele Pharmafirmen mit einem zu großen Risiko verbunden. Denn der Erfolg der Forschungsarbeit ist keineswegs gewiss. Außerdem winken erst einmal nur geringe Verkaufszahlen, weil neue Wirkstoffe zunächst in Reserve gehalten werden.


Bakterien im Urin
Antibiotika resistente Bakterien Bild: Mkaercher CC BY-SA 3.0 (VIA WIKIMEDIA COMMONS)

Das Erbgut von 10.000 Bakterienstämmen wurde analysiert

Abhilfe schaffen könnte ein neues Verfahren, das Wissenschaftler der Rockefeller University in New York erstmals erfolgreich zum Einsatz gebracht haben. Es handelt sich um das sogenannte Genome Mining. Klassische Antibiotika stammen von Pilzen oder Bakterien, die spezielle Abwehrmittel produzieren, um andere Stämme in Schach zu halten. Der dazu nötige genetische Bauplan ist in sogenannten Biosynthese-Genclustern hinterlegt. Will man nun ein neues Antibiotikum erforschen, müssen die Mikroorganismen im Labor dazu gebracht werden, genau das richtige Gencluster zu aktivieren. Der dabei freigesetzte Wirkstoff kann dann isoliert und weiterverarbeitet werden. Der gesamte Prozess ist aber extrem aufwändig. Ein Team der Rockefeller University rund um Zongquian Wang hat daher einen anderen Weg beschritten. Beim Genome Editing schauten sie sich zunächst das Erbgut von rund 10.000 Bakterienstämmen an. Dabei suchten sie nach Gensequenzen, die entsprechende Baupläne für Lipopeptiden enthielten. Außerdem wurde geschaut, dass keine evolutionäre Verbindung zu bereits bekannten Antibiotika bestand.

Algorithmen ermöglichen den Nachbau im Labor

In den Fokus der Forscher rückte auf diese Weise das Bakterium Paenibacillus mucilaginosus. Anstatt den Wirkstoff durch aufwändige Arbeit im Labor zu gewinnen, kamen anschließend Algorithmen zum Einsatz. Diese prognostizierten, wie die Substanz am wahrscheinlichsten aussieht und zusammengesetzt ist. Anschließend wurde sie mithilfe von gezielten chemischen Prozessen einfach künstlich nachgebaut. Auf diese Weise entstand eine neues Antibiotika-Mittel namens Cilagicin. Erste Tests haben gezeigt, dass sich damit eine ganze Reihe von Bakterien bekämpfen lassen. Selbst resistente Enterokokken, die in vielen Krankenhäusern für erhebliche Probleme sorgen, konnten bei Mäusen und in der Petrischale erfolgreich bekämpft werden. Wirksam wird das neue Antibiotikum, indem es den Aufbau der Zellwände bei den fraglichen Bakterien stört. Dies geschieht auf doppelte Art und Weise, was die Entstehung neuer Resistenzen zumindest erschweren könnte. Zwei Einschränkungen müssen allerdings gemacht werden: Klinische Studien bei Menschen stehen noch aus. Und: Wie es scheint, wirkt das Mittel nur bei grampositiven Bakterien. Die grundsätzliche Vorgehensweise lässt sich aber vergleichsweise unkompliziert replizieren, um weitere wirksame neue Antibiotika zu finden.


Via: Science

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