Das Thema Klimawandel gerät immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Letztes Jahr vereinbarten führende Nationen auf dem UN-Klimagipfel in Paris neue Klimaziele. Was jedoch, wenn es nicht gelingt, die Minderungsziele für die nationalen Treibhausgas-Emissionen einzuhalten und der globale Erwärmungstrend sich fortsetzt? Ein in der Klimapolitik noch verpöntes Mittel ist das sogenannte „Geoengineering“. Seit Jahren denken Geoingenieure und Chemiker wie etwa der Mainzer Nobelpreisträger Paul Crutzen darüber nach, wie sie dem Klimawandel mit drastischen Mitteln Einhalt gebieten können. Eines dieser Mittel ist ein Sonnenschirm aus Schwefelpartikeln, der in die Atmosphäre geblasen wird. Forscher der Universität Harvard machten nun einen Gegenvorschlag: Sie wollen die Atmosphäre mit Kalkpartikeln anreichern, um den Klimawandel aufzuhalten. Foto: Global Warming. The Earth became the newest Waterworld., Andrea Della Adriano, Flickr, CC BY-SA 2.0 Kalkpartikel sollen die Ozonschicht reparieren Den Vorschlag mit den Schwefelpartikeln unterbreitete Paul Crutzen in den 90ern. Die Idee ist einfach: Die Partikel sollen einen Teil der Sonnenstrahlen abschirmen und so die Erderwärmung verlangsamen oder stoppen. Der Vorschlag ist aber auch schwer umstritten. Schwefelpartikel seien umweltschädlich und würde die Ozonschicht zerstören, so die Kritiker. Außerdem reagieren sie und versauern schließlich als Schwefelsäure die Lufthülle. Forscher der Universität Harvard entwickelten nun einen Alternativvorschlag, den sie in den „Proceedings“ der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften vorstellten: Sie wollen die obere Atmosphäre nicht mit Schwefelteilchen, sondern Kalziumkarbonat anreichern. Kalk wird seit Jahrzehnten als Ultima ratio gegen die Übersäuerung der Böden und das daraus resultierende Waldsterben verwendet. Die Kalkteilchen sollen jedoch nicht das Sonnenlicht reflektieren, sondern die basischen Erdalkalimetallverbindungen sollen wie auch im Boden die Atmosphäre chemisch von Säuren entlasten. Denn auch unsere Atmosphäre ist säurebelastet, vor allem durch stickstoffhaltige Salpetersäure, Salzsäure und Bromwasserstoffsäure. Diese Säuren stellen in der oberen Atmosphäre jene Chemikalien bereit, die zur Zerstörung der Ozonhülle beitragen. Kalk könnte die von Menschen verursachte Erwärmung teilweise neutralisieren Die Forscher simulierten die Wirkung der winzigen, weniger als ein tausendstel Millimeter großen Kalziumkarbonat-Partikel in einem Computermodell und zeigten, dass zumindest theoretisch die drei wichtigsten Ozonzerstörer so zumindest zum Teil neutralisiert werde könnten. Das Resultat wären reaktionsträge Partikel und Verbindungen wie Kochsalz oder Salpeter. Die Kalkpartikel sollen in die Stratosphäre in einer Höhe zwischen 20 und 25 Kilometern ausgebracht werden uund dort die ohnehin schwer geschädigte und nur langsam sich erholende Ozonschicht regenerieren. Möglich wären je nach Grad der Versäuerung bis zu 6,4 Prozent Regeneration pro Jahr, so die Forscher. Gleichzeitig rechnen die Forscher vor, dass 2,1 Millionen Tonnen Kalkpuder in der oberen Lufthülle die Erwärmungseffekte am Erdboden um ein Watt pro Quadratmeter senken könnten. Zum Vergleich: Der Effekt des von Menschen in die Atmosphäre eingebrachte CO² wird auf 1,5 Watt pro Quadratmeter geschätzt. Bisher nur eine Berechnung im Computermodell Das Kalkpulver könnte von Flugzeugen aus oder mit Ballons, Luftschiffen oder Raketensystemen relativ kostengünstig in die Atmosphäre gebracht werden. Zwar sei mit einem „Abregnen“ des überschüssigen Kalks und der Reaktionsprodukte zu rechnen, aber die Forscher halten diesen Effekt für ökologisch unproblematisch. Allerdings handelt es sich bisher wirklich nur um ein Computermodell. Weder ist klar, ob die Kalkpartikel tatsächlich so funktionieren würden wie geplant, noch konnte das Modell klären, ob die kleinen Kalkteilchen unter realen Bedingungen in der Stratosphäre aufgrund der Feuchtigkeits- und Strömungsbedingungen nicht verklumpen würden. Die Wissenschaftler regten daher Feldversuche an. Bis es soweit kommt, dürfte aber noch einiges an Zeit vergehen. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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