Mit dem HGP-Write-Projekt hat sich eine Gruppe Wissenschaftler ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Sie wollen die gesamte menschliche DNA synthetisieren. Das klingt im ersten Moment nach Menschen aus der Retorte, aber das ist nicht der vorgesehene Einsatzzweck für das Projekt. Künstliche DNA könnte vielseitig eingesetzt werden und wichtige Beiträge in verschiedenen Wissenschaftsfeldern leisten. Menschliche DNA ohne „Mutterzelle“ Anfang Mai dieses Jahres versammelte sich an der US-amerikanischen Eliteuniversität Harvard eine Gruppe von mehr als 130 Wissenschaftlern, Ethikern und Entscheidungsträgern, um das HGP-Write-Projekt zu planen. Die Konferenz fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, es herrschte sogar ein Twitterverbot. Was im Geheimen begann, ist nun deutlich öffentlicher: Es wurde ein Aufsatz veröffentlicht, und im Internet lassen sich Mitschnitte der Konferenz ansehen. Es ist nun also auch mehr über das HGP-Write-Projekt bekannt. Die Abkürzung steht für Human Genome Project – ein Name, der vielen bekannt vorkommen dürfte. Zurecht, denn im Jahr 2004 wurde das letzte Human Genome Project beendet. Dieses ist nun als HGP-Read bekannt, was auch gleich den Unterschied deutlich macht: Beim HGP-Read-Projekt ging es darum, die Basenpaare der menschlichen DNA zu entschlüsseln. Das HGP-Write-Projekt soll sich nun damit beschäftigen, DNA tatsächlich herzustellen. Dabei müssten die kompletten Basenpaare, aus denen die DNA des Menschen besteht, zusammengesetzt werden. Auf chemischer Ebene würde sich diese künstiche DNA nicht von der natürlichen Variante unterscheiden, sie wäre allerdings nicht aus einer lebenden Zelle extrahiert. Die DNA des Menschen ist eine Herausforderung Das Unterfangen ist komplexer und schwieriger, als es klingt. Die künstliche Synthese von kurzen DNA-Sequenzen ist inzwischen Routine. Dabei werden aber nur einige Tausend Basenpaare zusammengebaut. Die menschliche DNA hat jedoch ungefähr drei Milliarden Basenpaare, eine Tatsache, die auch schon das HGP-Read-Projekt vor enorme Herausforderungen stellte. Das Ziel ist es daher erstmal, Technologien zu entwickeln, mit denen große Mengen DNA getestet und synthetisiert werden können. Auf diese Art und Weise sollen dann auch die Kosten gesenkt werden. Im Rahmen des HGP-Write-Projekts soll dann auch die DNA von Pflanzen und Tieren synthetisiert werden. Ein großes Vorhaben, dass sich noch über Jahre hinziehen wird. Synthese von menschlicher DNA: Chancen und Gefahren Die Art und Weise, wie die Konferenz an der Harvard-Universität anfangs abgehalten wurde – also unter Ausschluss der Öffentlichkeit – in Kombination mit dem Thema, namentlich der Synthese von menschlicher DNA, rief sofort Kritiker auf den Plan, die die Befürchtung äußerten, es gehe darum, Menschen ohne biologische Eltern zu schaffen. Ganz unberechtigt ist diese Angst nicht, und sie wird sicher auch nicht unwesentlich von der SciFi-Literatur sowie von Filmen befeuert. Und tatsächlich leben wir in einer Welt, in der künstliche Reproduktion generell schon ein Thema ist. Mit künstlicher DNA ließen sich auch künstliche Befruchtungen realisieren, was zu sonderbaren und ethisch bedenklichen Anwendungsbeispielen für die Technologie führen würde. All das sind Themen, die natürlich auf der Konferenz besprochen worden. Die Schaffung von künstlichem menschlichen Leben ist zwar eine Einsatzmöglichkeit für die Ergebnisse des HGP-Write-Projekt, die sich geradezu aufdrängt, aber für künstliche DNA gäbe es eine Vielzahl an anderer Einsatzmöglichkeiten. So könnte sie bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen zum Einsatz kommen oder dabei helfen, Organe für Transplantationen zu züchten, bei denen genetisch bedingte Angriffspunkte für Krankheiten von vorneherein eliminiert sind. Generell wäre künstliche DNA sehr nützlich für die wissenschaftliche Forschung. Es wäre beispielsweise denkbar, durch Auslassungen im Genom die elementaren Grundbestandteile der DNA zu isolieren und zu identifizieren, ohne die Leben nicht möglich wäre. Da das Projekt nun unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet und sicher auch dem Peer-Review offen steht, ist vorerst nicht zu befürchten, dass die Wissenschaftler sozusagen im stillen Kämmerlein die Grenzen der Ethik überschreiten. Eines ist aber sicher: Das Projekt bietet Sprengstoff. Und zwar so viel, als dass es fast schon eine gesellschaftliche Aufgabe ist, sich darüber klar zu werden, wie mit den sich ergebenden Möglichkeiten umgegangen werden soll. Solche Debatten fanden in der Vergangenheit bereits statt, beispielsweise dann, als es ums Klonen ging. Es spricht also alles dafür, dass die Menschheit dieser Aufgabe gewachsen ist. Finanzieller und logistischer Aufwand Ein solch gewaltiges Projekt benötigt vor allem eines: Geld. Die Wissenschaftler möchten insgesamt etwa hundert Millionen Dollar sammeln, um das HGP-Write-Projekt zu realisieren. In der ersten Phase soll etwa ein Prozent des menschlichen Genoms synthetisiert werden. Für die Koordination des Mammutprojekts ist die Non-Proifit-Organisation Center of Excellence for Engineering Biology verantwortlich. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter