Der pazifische Inselstaat Tonga war im Jahr 2019 unfreiwilliger Teilnehmer eines bizarren Experiments: Weil ein Unterseekabel beschädigt wurde, war das Land für zwölf Tage vom globalen Internet abgeschnitten. Das Ergebnis: Das Land stand weitgehend still. Die Anekdote verdeutlicht, die Bedeutung der globalen digitalen Infrastruktur. Denn bisher basiert die weltweite Vernetzung im Wesentlichen nicht auf Satelliten oder Funkmasten, sondern wird mithilfe von durch die Ozeane laufenden Glasfaserkabeln sichergestellt. Konkret wird rund 95 Prozent der weltweiten digitalen Kommunikation auf diese vergleichsweise klassische Art und Weise übertragen. Inzwischen gibt es weltweit mehr als 500 Glasfaserkabel auf dem Meeresboden. Würde man diese hintereinander spannen, ergäbe sich eine Länge von in etwa dem dreißigfachen des Erdumfangs. Lange Zeit wurde die Verlegung der Kabel von spezialisierten Firmen übernommen, die damit vergleichsweise geringe Margen verdienten. Bild: frankieleon, Flickr, CC BY-SA 2.0 Drei Akteure schaffen Tatsachen auf dem Meeresboden Mittlerweile hat das Thema allerdings an geopolitischer Brisanz gewonnen. Dies zeigt sich schon an den drei Akteuren, die zuletzt massiv in diesem Bereich investierten: 1. Die Vereinigten Staaten: Schon die Trump-Regierung rief ein Programm namens „Clean Cables“ ins Leben. Es richtet sich vor allem gegen die chinesische Regierung. So soll sichergestellt werden, dass die digitale Infrastruktur nicht für Spionagetätigkeiten des Reichs der Mitte missbraucht werden kann. Konkret bedeutet dies: Es müssen eigene Kabel verlegt werden. Der neue US-Präsident Joe Biden möchte daher eine „Allianz der Demokratien“ schmieden. Noch sind die Vorbehalte allerdings groß. Denn in der Vergangenheit waren es die US-Geheimdienste, die Kommunikationsknotenpunkte anzapften. 2. Das Silicon Valley: Lange Zeit waren Unternehmen wie Google oder Facebook reine Nutzer der Tiefseekabel. Inzwischen investieren sie allerdings auch massiv in eigene Projekte. Auch sie müssen allerdings Rücksicht auf geopolitische Besonderheiten nehmen. So wurde eine geplante Verbindung zwischen den USA und Hongkong nicht realisiert. Zu groß war die Angst vor einem chinesischen Zugriff. Stattdessen soll das Kabel nun nach Singapur führen. Ganz unbedenklich ist diese Entwicklung allerdings nicht. Denn wenn Privatfirmen kritische Infrastruktur verlegen, könnten sie irgendwann versucht sein, die Konkurrenz von der Datenübertragung auszuschließen. 3. China: Über die Initiative der neuen Seidenstraße wurde schon viel berichtet. Überall auf der Welt hat die chinesische Regierung Geld in Infrastrukturprojekte investiert. Zunächst standen dabei klassische Projekte im Fokus – etwa Häfen, Straßen oder Flughäfen. Eher weniger beachtet wurde zuletzt der Umschwung auf die „digitale Seidenstraße“. Dazu gehört auch die Verlegung von eigenen Internetkabeln in der Tiefsee. War China im Jahr 2019 noch an elf Prozent aller entsprechenden Projekte beteiligt, ist dieser Wert inzwischen auf 25 Prozent gestiegen. Dabei in aller Regel beteiligt: Der umstrittene Netzwerkausrüster Huawei. Europa agiert bisher nur mit einzelnen Projekten Bei einem solchen Thema von globaler Bedeutung sollte eigentlich auch die Europäische Union eine wichtige Rolle spielen. Tatsächlich wurde die Vernetzung der Welt zunächst von Europa aus vorangetrieben. So verlief das erste Unterseekabel zwischen Frankreich und Großbritannien. An der Entwicklung des ersten Glasfaserkabels waren wiederum France Telecom und British Telecom beteiligt. Inzwischen allerdings sind diese Fähigkeiten weitgehend verloren gegangen. Lange Jahre interessierte das Thema auf europäischer Ebene kaum jemanden. Aufgeschreckt wurden die Beamten dann allerdings von den Snowden-Enthüllungen. Diese beflügelten das inzwischen tatsächlich umgesetzte Projekt eines Glasfaserkabels zwischen Europa und Südamerika. Doch von einer ausgereiften Strategie ist man noch weit entfernt. All zu lange sollte Europa allerdings nicht mehr zögern. Denn schon heute verfügt mit dem Nokia-Konzern nur noch ein europäisches Unternehmen über die Expertise für die Verlegung von Tiefseekabeln. Die Finnen wollen diesen Geschäftsbereich aber eigentlich abstoßen. Via: Handelsblatt Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter