Lesen ist lesen, ganz gleich, wo der Text steht? Weit gefehlt! Die Auswertung von 25 Studien zum Leseverständnis mit ungefähr 500.000 Teilnehmern spricht eine deutliche Sprache: Vor allem jungen Menschen verstehen Texte, die sie in ihrer Freizeit lesen, deutlich besser, wenn sie auf Papier gedruckt sind. Das steht dem tatsächlichen Leseverhalten diametral entgegen.


Kinder verstehen Online-Texte schlechter als auf Papier gedruckte

Kinder und Jugendliche können erstaunlich schlecht »digital verstehen«

Drei Forscher von der Universität Valencia zeichnen sich für diese Metastudie zum Textverständnis verantwortlich. Sie rechneten selbst nicht mit diesem klaren Ergebnis, das besonders bei Kindern und Jugendlichen sehr eindrucksvoll ausfällt. Die wissenschaftliche Untersuchung wurde im Fachblatt »Review of Educational Research« veröffentlicht, sie enthält 39 verschiedene Vergleiche zwischen digitalem und analogem Lesen aus Daten der Jahre 2000 bis 2022.

Das Ergebnis: Bei jüngeren Personen liegt das Textverständnis etwa sechs- bis achtmal höher, wenn sie sich in ihrer Freizeit mit gedruckten Büchern statt mit digitalen Endgeräten befassen. Mit zunehmenden Alter Richtung Oberstufe, Ausbildung und Studium schrumpft die Diskrepanz, verschwindet aber nicht. Umso jünger das Kind, desto weniger profitiert es von der Onlinelektüre. Nicht mal das virtuelle Lesen zu reinen Informationszwecken, zum Beispiel auf Wikipedia, schneidet gut ab. Allerdings lagen den Studien verschiedene Messsysteme zugrunde, um den Zusammenhang zwischen Lesegewohnheit und Textverständnis zu erfassen.


Ein Erklärungsansatz für das fehlende Online-Textverständnis

Warum ist so viel schwieriger, Online-Texte kognitiv zu verarbeiten? Ein Erklärungsansatz besagt, dass Texte im Internet oft von niedriger Qualität sind, in den sozialen Medien herrscht meistens Umgangssprache, ohne komplexen Satzbau oder gehobenes Vokabular. Entsprechend oberflächlich lesen die User, tauchen nicht vollständig ins Gelesene ein und verstehen kaum Zusammenhänge. Bei gedruckten Texten ist von vorneherein meist mehr Konzentration gefragt und: Eine Papierseite lässt sich nicht zügig durchscrollen und womöglich nach fett gedruckten Schlagwörtern durchforsten. Sie will ernsthaft gelesen werden, und das tun die Menschen eher als im verführerisch leichtgestrickten Netz.

Quelle: derstandard.at

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