54,4 Milliarden Euro. Fast das Achtfache dessen, was der Flughafen BER bis dato gekostet hat. So viel, wie der Ausbau der Stromnetze wohl bis 2030 verschlingen wird. Nur entstand diese gigantische Summe, ungleich zu den Vergleichen, nicht im Zeitraum vieler Jahre, sondern innerhalb von nur zwölf Monaten. Es ist der Schaden, den die deutsche Wirtschaft durch Produktpiraterie anno 2016 erleiden musste – dieses Jahr gilt durch eine umfassende Recherche der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als das am besten beobachtete und ausgewertete der jüngeren Vergangenheit. Selbsthilfe unumgänglich Zu diesem riesigen monetären Verlust kommt auch noch ein gesellschaftlicher: Etwa eine halbe Million Vollzeitarbeitsplätze seien durch die Produktpiraterie hierzulande nicht entstanden – wenn Kunden an Fälscher geraten, so benötigen sie keine Produkte vom richtigen Hersteller, wodurch dieser auch weniger Personal benötigt. Doch der kritischste Punkt hieran ist, dass diese Zahlen zwar eine Momentaufnahme darstellen, aber kein Momentproblem sind. Jahr für Jahr summiert sich der Schaden auf, wird immer größer – und der Staat allein kann weitgehend nur reagieren, indem er beispielsweise versucht, die Einfuhr von gefälschter Ware zu unterbinden. Eine Sisyphusarbeit; dazu kommen einfach täglich viel zu viele Waren in den deutschen und europäischen Häfen an. Es liegt deshalb vor allem an Unternehmen, maximalen Selbstschutz zu betreiben. 1. Eine Nulltoleranzstrategie fahren In einem Land, in dem Produktpiraterie rechnerisch jedes Unternehmen rund ein Prozent seines Jahresumsatzes kostet, und in einer Welt, die in wirtschaftlicher Hinsicht so umfassend miteinander verflochten ist, erscheint es unvermeidbar, dass es gewisse Verluste durch Fälschungen gibt.Just dies ist jedoch eine falsche, sogar kontraproduktive Denkweise. Sie sorgt dafür, dass sich in vielen Unternehmen eine Art schulterzuckende Akzeptanz einstellt – frei nach dem Motto „ein bisschen Schwund ist immer“. Tatsächlich sollte das Gegenteil der Fall sein: Jedem Unternehmen sollte daran gelegen sein, auch den geringsten Verdacht sofort zur Handlung zu machen. Der Zoll sollte beauftragt werden, es sollte ständige Zusammenarbeit mit Stellen wie der Bekämpfungsinitiative gegen Produktpiraterie der internationalen Handelskammer geben. Nur dann passiert ein Trickle-Down-Effekt: Es werden immer weniger Fälschungen ins Land gelassen; Dadurch fließen immer weniger Umsätze an die Produktpiraten zurück; Deren Gewinnspanne wird immer kleiner, bis sie schließlich kippt; Letztendlich geht es darum, den Fälschern das Wasser abzugraben und ihre Geldflüsse trockenzulegen. Jede Fälschung, die von den Originalherstellern akzeptiert wird, verlängert und erschwert diesen Prozess. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, an diesem Punkt unternehmerisches Konkurrenzdenken kurz beiseitezuschieben und zusammenzuarbeiten. 2. Grundsätzlich weitestmögliche Schutzstufen applizieren Fälschung ist nicht gleich Fälschung, zumindest im rechtlichen Sinn. Zwar kann alles gefälscht werden, ob es jedoch auch möglich ist, rechtliche Schritte gegen die Produktpiraten einzuhalten, hängt in entscheidendem Maß davon ab, ob ein Produkt überhaupt geschützt ist. Patentschutz, Markenschutz und Geschmacksmusterschutz stellen die wichtigsten Werkzeuge hierfür dar. Bloß darf der Gedanke daran nicht erst im Verlauf der Konstruktion eines Produkts aufkeimen. Viel mehr ist es nötig, bereits in der Planungsphase Experten hinzu zu ziehen, beispielsweise Fachanwälte für Markenrecht. Denn: Schutzwürdigkeit entscheidet sich oftmals nur anhand kleinster Details. Nur wenn Profis frühzeitig involviert sind, können diese in die Planung einbezogen werden. Auch sollte angestrebt werden, dass sich der Schutz über Deutschlands Grenzen hinaus ausdehnt – nur dann ist es effektiv möglich, auch die staatlichen Stellen in den Herstellerländern der Fälschungen sowie in deren anderen Absatzmärkten zum Handeln zu bewegen; andernfalls können diese für sich beanspruchen, dass der Schutz bei ihnen nicht gilt. Hier sollten Unternehmer, die den Aufwand fürchten, bedenken, wie stark Fälschungen das Image in einem Land definieren können, bevor ein Originalhersteller überhaupt erst sein Geschäft in diese Nation erweitert. 3. Fälschungssicherheit als Grundbaustein etablieren Ein Produkt wird, so wie es ist, patentrechtlich geschützt. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Produktpiraterie, aber längst nicht alles. Denn Produktfälscher haben naturgemäß eine gehörige Portion kriminelle Energie. Das heißt, sie wissen natürlich, dass ihr Tun illegal ist, aber es ist ihnen weitestgehend egal. Angesichts dessen sollten Originalhersteller anstreben, ihre Produkte per se ausnehmend fälschungssicher zu gestalten. Dahinter verbirgt sich eine zweigleisige Strategie: Je schwieriger ein Produkt aus konstruktiver Sicht zu fälschen ist, desto geringer ist die Anzahl derer, die überhaupt technisch zu einer Fälschung in der Lage sind. Zudem wird es immer schwieriger, Optik und Funktionalität dicht am Original zu halten. Je vielfältiger fälschungssichere Merkmale integriert werden, desto leichter ist es für den Originalhersteller und nicht zuletzt die Behörden, Plagiate auch als solche zu erkennen – gerade bei technisch einfachen Produkten sind Fälschungen mittlerweile kaum noch vom Original zu unterscheiden. Dies gilt es mit allen Mitteln zu verhindern. Doch was beinhalten diese Mittel? Es beginnt schon auf einer kennzeichnenden Basis. Längst sind Etiketten so technisch raffiniert und umfassend gestaltbar, dass sie selbst diverse fälschungserschwerende Merkmale in sich vereinen, beispielsweise Hologramme oder bestimmte Piktogramme. Hierzu können auch Techniken wie BitSecure, ShiftSecure und dergleichen kombiniert werden, die auf digitalisierte Merkmale setzen. Außerdem kann sich das Vorgehen auch auf einzigartige Software-Merkmale erstrecken. Von zentraler Wichtigkeit bei all diesen Maßnahmen ist jedoch, dass: …möglichst viele, voneinander unabhängige Maßnahmen appliziert werden; …sowohl offene wie sorgsam verborgene Maßnahmen genutzt werden; …genaue Richtlinien erstellt und eingehalten werden, wer welche Maßnahmen wo anbringen und die Echtheit überprüfen darf. Vor allem letzteres lässt sich auch noch deutlich erweitern. 4. Straff kontrollierte und schlanke Herstellungs- und Lieferketten etablieren Eine Motorsäge. Die Kolben stammen aus Italien, die Zylindergehäuse werden in Tschechien gefertigt. Die Kunststoffteile stammen aus Indien, die Vergaser aus China, die Schwerter aus Polen und die Ketten aus den USA. Zusammengebaut wird dies alles in Deutschland. Tatsächlich ist dieses Beispiel in der heutigen Welt keinesfalls mehr übertrieben. Die Globalisierung hat dafür gesorgt, dass ein derartiges Aufsplitten sich für sehr viele Produkte rentiert und aktiv betrieben wird. Bloß: Je kleinteiliger diese Ketten sind, desto leichter wird es, dass an irgendeinem Punkt Ideen und Detailwissen abfließen, dass vielleicht sogar gefälschte Teile in das Originalprodukt einfließen. Die einzige Option dagegen ist es, sämtliche Details der Produktion und des Vertriebs so kompakt wie möglich zu halten – je mehr Teile inhouse gefertigt werden, desto schwieriger haben es Fälscher und desto leichter ist es auch, die im vorherigen Kapitel genannten fälschungssichernden Maßnahmen zu applizieren. Ferner sollten Originalhersteller ständig bestrebt sein, alle externen Quellen ständig zu überwachen, dabei spielt auch die Ausgestaltung von Lieferverträgen eine wichtige Rolle. Dazu gehört es auch, die Vertriebsketten nach Fertigstellung zu kontrollieren: Je weniger Händler überhaupt das Produkt verkaufen, desto leichter ist es, schon anhand einer Quelle auszumachen, ob ein Produkt echt ist. 5. Informieren, informieren und noch mehr informieren Unternehmen haben nicht nur Angst vor Produktpiraterie, weil ihnen dadurch Umsätze verlorengehen. Es ist auch die Sorge um das für teures Geld aufgebaute Image bei den Kunden, welches beschädigt werden kann – denn Fälschungen können häufig nicht die Eigenschaften liefern, die das Original mit sich bringt. Bloß glauben nach wie vor viele Unternehmer, dass es bereits ihr Image schädigen würde, überhaupt von Fälschungen zu sprechen. Dahinter steht der Gedankengang, dass allein die Möglichkeit, an Fälschungen zu geraten, Kunden schon dazu verleiten würde, sich einer anderen Marke zuzuwenden. Tatsächlich ist dies eine falsche Vorgehensweise, vergleichbar mit der Vogelstrauß-Taktik des Kopf-in-den-Sand-Steckens. Denn sowohl B2B- wie B2C-Kunden ist längst bewusst, dass Fälschungen ein allgegenwärtiges Problem sind. Ein Unternehmen, das sich hier zurückhält, geht fälschlicherweise davon aus, dass die Kunden uninformiert seien. Das Gegenteil ist der Fall und sollte auch seitens der Originalhersteller der Fall sein. Das bedeutet eine offensive und offene Kommunikationsstrategie: Es muss Kunden bewusst gemacht werden, dass es auch von diesem Hersteller Plagiate gibt oder geben könnte. Die Kunden müssen informiert werden, warum es für sie selbst nachteilig ist, auf diese Plagiate zu setzen. Der Originalhersteller muss transparent informieren, wodurch sich seine Originale auszeichnen, wo die Unterschiede zu Plagiaten liegen und wodurch diese sich zu erkennen geben. Der Hersteller sollte unbedingt leicht auffindbare und niedrigschwellig benutzbare Anlaufstellen schaffen, an die sich Kunden beim leisesten Verdacht eines Plagiats wenden können. Es sollte ferner eine ebenfalls leicht zugängliche Datenbank geben, in denen bekannte Fälschungen und deren Vertriebswege schonungslos offengelegt werden. Zahllose Hersteller verfahren längst schon so. Modegigant Chanel macht es, auch der Werkzeugspezialist Stihl warnt proaktiv und noch viele andere. Auch sollte diese Öffentlichkeitsarbeit sich nicht nur auf die Kommunikationswege des Originalherstellers beschränken. Pressemitteilungen und dergleichen sollten auch immer wieder an die lizenzierten Vertriebspartner sowie die Presse herausgegeben werden. Nur so kann Stück für Stück immer mehr Wissen unter die (potenziellen) Kunden gebracht und den Fälschern mittel- und langfristig das Handwerk gelegt werden. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter