Ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz ist, wie ihr Einsatz die Arbeitswelt verändern wird. Lange Zeit ging man davon aus, dass bestimmte Berufsgruppen aufgrund der Komplexität ihrer Aufgaben davor sicher sind, durch Computer ersetzt zu werden. Diese Prämisse kommt mehr und mehr ins Wanken. In China etwa werden nun erstmals Computerprogramme als Staatsanwält:innen eingesetzt.


Computer entscheidet über Anklage

Staatsanwält:innen haben weder einen entspannten noch einen einfachen Job. Ihre von der Öffentlichkeit am deutlichsten wahrgenommene Aufgabe ist das Vertreten des Staats als Ankläger in Strafverfahren. Aber das ist nur die eine Seite des Jobs. Auf der anderen Seite stehen (teilweise) Ermittlungsarbeiten sowie die Vorbereitung der Anklage, damit es überhaupt erst zu einem Verfahren kommt.


In China wird dies nun teilweise von einem Computerprogramm erledigt. Die KI namens System 206 wird im Reich der Mitte schon seit einiger Zeit eingesetzt, um Beweise zu bewerten und die Gefahr von Verbrechern für die Allgemeinheit einzuschätzen.

Nun soll der Algorithmus zusätzlich in die Lage versetzt werden, bis zu einem gewissen Grad die Staatsanwält:innen zu ersetzen. Chinesische KI-Forscher haben diese Erweiterung in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Shanghai vorbereitet, bei der es sich um die größte Bezirksstaatsanwaltschaft des Landes handelt.

Die KI hat dazugelernt

Die Verwendung der KI zur Entscheidung über eine Anklageerhebung scheiterte bisher daran, dass der Algorithmus nicht in der Lage war, irrelevante Informationen aus einem Fall herauszufiltern. Außerdem war er nicht in der Lage, Sprache etwa in Form von Vernehmungen oder ähnlichem zu verarbeiten.

Der aktualisierte Algorithmus ist dazu in der Lage und kann bei den acht häufigsten Straftaten in Shanghai (Kreditkartenbetrug, Glücksspiel, rücksichtsloses Fahren, vorsätzliche Körperverletzung, Behinderung der Staatsgewalt, Diebstahl, Betrug sowie politische Delikte) darüber entscheiden, ob eine Anklage erhoben wird oder nicht. Dabei erreicht das Programm eine Genauigkeit von 97 Prozent.

Gegen die Erweiterung von System 206 sowie den Einsatz der KI als Staatsanwaltschaftsersatz gibt es aber auch Einwände. Kritik kommt auch von Seiten der Staatsanwaltschaft. Entscheidend sei vor allem die Frage, wer bei einem Fehler haftet. Ob die Verantwortung dem/der zuständigen Staatsanwalt:in, der KI selber oder den Entwicklern der KI zufällt, sei bisher noch völlig ungeklärt.

Allerdings gibt es auf der anderen Seite natürlich auch genug Fälle, in denen Fehler bei der Anklageerhebung auch auf einen Mensch in der Staatsanwaltschaft zurückzuführen sind. Inwieweit die KI sich auf die internen Prozesse der Staatsanwaltschaft auswirken wird, kann letztlich nur die Praxis zeigen.

via South China Morning Post

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