Rein theoretisch wäre es weiterhin möglich, den Klimawandel auf einen Wert von 1,5 Grad im Vergleich zu dem präindustriellen Durchschnitt zu begrenzen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber, dass dies wenngleich in der Theorie möglich in der Praxis nicht mehr umsetzbar sein wird. Mittelfristig werden wir also Möglichkeiten brauchen, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen. Forscher:innen haben nun eine Möglichkeit gefunden, wie Eisenbahnzüge quasi „nebenbei“ CO2 aus der Luft filtern können.


Bild: Joule/ Bachman et al.

CO2-Capture-Anlage auf Schienen

Bei CO2-Capture-Verfahren wird das Treibhausgas aus der Luft oder aus Abgasen entfernt und entweder zu chemischen Rohstoffen weiterverarbeitet oder in Feststoffen wie etwa Gestein gespeichert. Die bisher verfügbaren Methoden sind allerdings teuer und benötigen viel Energie. Energieintensiv ist vor allem das Ansaugen der Luft bzw. der Abgase, aber auch die Trennung von Absorptionsmittel und CO2.

Ein Forschungs-Team verschiedener Universitäten sowie des Startups CO2-Rail hat nun eine Methode vorgestellt, die die Nachteile der gängigen CO2-Capture-Verfahren negieren soll. Statt auf stationäre Anlagen setzen die Forscher:innen dabei eine mobile Plattform, nämlich die Eisenbahn. Der Vorteil: Währen stationäre Anlagen die Luft unter Energieaufwand ansaugen müssen, erzeugen Züge während der Fahrt so oder so Fahrtwind.


Der CO2-Fänger auf schienen besteht aus einem Wagon, der vorne über eine oder mehrere große Einlassöffnungen verfügt. „Bei 111 Stundenkilometer Fahrtgeschwindigkeit könnte jede Öffnung mehr als 10.000 Kubikmeter Luft pro Minute in die Sammelkammer bringen„, so die Forscher:innen. Die Filtereinheit wird dann in der Sammelkammer installiert und entfernt das CO2 mittels flüssiger oder fester Absorber aus der Luft.

Abscheidung ohne externe Energie

Für die Abscheidung werden dann die Einlassöffnungen verschlossen und der Druck im Innenraum verringert. Je nachdem, welches Absorbermedium verwendet wurde, wird das gebundene CO2 entweder durch Erhitzen, Unterdruck oder elektrische Ladungen herausgelöst sowie komprimiert und verflüssigt. Das flüssige Treibhausgas wird dann in einem Drucktank gespeichert und am Ziel des Zuges oder während eines Zwischenhaltes entladen.

Die Wiedergewinnung des CO2 aus dem Absorbermedium ist in der Regel ein Schritt, für den noch einmal viel Energie benötigt wird und daher bei Anlagen für Direct-Air-Capture (DAC) viel Stromverbrauch erzeugt. Der CO2Rail-Wagon nutzt für diesen Schritt nur Energie, die vom Zug selber erzeugt wird, sodass keine zusätzlichen Treibhausgas-Emissionen anfallen.

Günstiges Direct-Air-Capture

Die Energie wird im Zug aus zwei Quellen gewonnen. Da ist zu einen das Bremssystem, das die kinetische Energie der Vorwärtsbewegung in elektrische Energie umwandelt. „Jedes Bremsmanöver erzeugt dabei genug elektrischen Strom, um 20 durchschnittliche Haushalte einen Tag lang zu versorgen. Bisher geht diese enorme Menge an nachhaltig erzeugter Energie einfach ungenutzt verloren„, so Eric Bachman von CO2Rail. Als zweite Energiequelle fungieren Solarmodule, die auf dem Dach des Zuges angebracht werden können. Bei einem Güterzug mit 67 Wagons könnten aus beiden Energiequellen etwa 36.200 Kilowattstunden Strom pro 24 Stunden gewonnen werden. Bei einem durchschnittlich langen Passagierzug wären es noch bis zu 26.500 Kilowattstunden. Die erzeugte Energiemenge würde mehr als ausreichen, um die CO2-Abscheidung zu betreiben. „Wir schätzen die Effizienz je nach Abscheidungstechnik auf 267 bis 427 Kilowattstunden pro Tonne CO2„, so das Team.

Würde man also einen Güterzug mit einem CO2-Rail Wagon ausrüsten, so läge die pro Jahr eingefangene CO2-Menge bei 3.000 bis 6.000 Tonnen. Und das, ohne dass dafür Strom aus externen Quellen benötigt wird. Bei groß angelegter Umsetzung gehen die Forscher:innen von Kosten von etwa 50 US-Dollar pro Tonne CO2 aus, was deutlich günstiger als bei existierenden ANlagen ist.

Die projizierten Kosten machen die Technologie nicht nur kommerziell umsetzbar, sondern sogar wirtschaftlich attraktiv„, so Bachmann. Außerdem sind die Anlagen nicht besonders raumfordernd und vor allem mobil.

Die Integration in den Zugverkehr wäre denkbar einfach. „Die Infrastruktur dafür existiert schon. Man muss nur das bereits Vorhandene nutzen„, so Geoffrey Ozin von der University of Toronto, einer der Koautoren der Studie. Die Forscher:innen arbeiten bereits an einer zweiten Variante des Systems, das die Abgase von Dieselloks einfangen und vom CO2 befreien kann.

via University of Toronto

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