Roman Kirsch erregte schon in jungen Jahren die Aufmerksamkeit der Berliner E-Commerce-Szene. Er gründete im Alter von 23 Jahren das Möbelunternehmen Cascanda und verkaufte es für viel Geld an die US-Firma Fab.com. Das Unternehmen setzte damals auf extrem schnelles Wachstum und etablierte – nicht zuletzt auf Betreiben von Kirsch – einige innovative Formen des Online-Marketing. Unter anderem war damals auch die Junique-Gründerin Lea Lange für Fab.com tätig. Obwohl die US-Firma letztlich in Deutschland nicht erfolgreich war, galt Kirsch seitdem als eine Art „Wunderkind“ im E-Commerce. Im Jahr 2013 investierte er schließlich in das Mode-Startup Lesara und wurde dort Geschäftsführer. Auch hier setzte Kirsch auf schnelles Wachstum und hohe Anfangsverluste. Letztlich scheiterte er aber und das Unternehmen musste Ende vergangenen Jahres Insolvenz anmelden.


Das Geschäftsmodell von Lesara

Lesara will kein klassisches Modeunternehmen sein. Vielmehr bezeichnete sich das Startup gerne auch als „Tech-Unternehmen“. Mithilfe von Algorithmen sollten Trends frühzeitig aufgespürt werden und dann blitzschnell von Zulieferern in Asien in verschiedene Produkte umgesetzt werden. In gewisser Weise sollte so das Fast-Fashion-Konzept in die Online-Welt übertragen werden. Doch das Geschäftsmodell bringt auch einige Probleme mit sich. So sind die Margen bei den preisgünstigen Klamotten extrem knapp kalkuliert. Außerdem sind die Warenkörbe durch die niedrigen Preise naturgemäß nicht so wertvoll – wodurch die Versandkosten schwerer zu refinanzieren sind. Letztlich waren es aber nicht nur diese Probleme des Geschäftsmodells, die für die Insolvenz sorgten. Vielmehr machte Kirsch beim Aufbau von Lesara auch vier entscheidende Fehler:


1. Intransparente Preisdarstellung

Offensichtlich wollte Lesara nicht nur mit den günstigen Preisen selbst überzeugen, sondern diese auch noch in ein besonders gutes Licht rücken. Deshalb setzte das Unternehmen auf sogenannte Streichpreise. Die Vorgehensweise an sich ist natürlich nicht neu. Bei Lesara blieb aber oft unklar, ob es die angegebenen Ursprungspreise tatsächlich gab. Oftmals wurde die Seite style-discount.com/de als Referenz angegeben. Dort waren die entsprechenden Produkte aber nicht zu finden. Die Verbraucherzentralen kritisierten diese Art der Preisdarstellung immer wieder und prüften sogar juristische Schritte. Letztlich kam es dazu bisher nicht. Dennoch verfestigte sich so der Eindruck eines Online-Shops, der mit eher undurchsichtigen Methoden arbeitet. Kurzfristig mag dies für steigende Verkaufszahlen gesorgt haben, langfristig hat aber das Image gelitten.

2. Aufgeblähte Umsatzzahlen

Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch die Tatsache, dass das Startup mehrmals verwirrende Umsatzzahlen kommunizierte. So wurde zunächst bekannt gegeben, im Jahr 2016 sei ein Umsatz von 80 Millionen Euro erwirtschaftet worden. Tatsächlich waren es aber nur 46 Millionen Euro. Die Erklärung: Bei den von Lesara genannten Zahlen waren die Rücksendungen noch nicht herausgerechnet – was in der Branche aber eigentlich üblich ist. Erst als verschiedene Medien nachfragten, räumte das Unternehmen die etwas zweifelhafte Kommunikation ein und zeigte sich zerknirscht. Zuletzt kamen allerdings Vorwürfe eines potentiellen Investors auf, das Startup habe gegenüber Geldgebern zumindest mit missverständlichen Zahlen operiert. Tatsächlich sei die Marge aber deutlich niedriger gewesen als zunächst suggeriert. Ein Sprecher von Lesara wies diese Vorwürfe allerdings zurück.

3. Probleme mit den Investoren

Insgesamt pumpten Investoren rund 100 Millionen Euro in Lesara. Auch deshalb kam die Insolvenz für viele Beobachter überraschend. Schon bei der letzten Finanzierungsrunde musste das Startup allerdings auf mehrere in Deutschland bisher unbekannte Investoren setzen. Offensichtlich wollten viele bekannte Namen aus der Branche nicht weiter in Lesara investieren. Immer wieder gab es auch Gerüchte, dass einige Investoren sich von Roman Kirsch nicht ausreichend informiert fühlten. Hinzu kommt: Kirsch soll noch im vergangenen Jahr eigene Anteile an Investoren verkauft haben – nur um wenige Monate später neuen Finanzbedarf anzumelden. Dem wollten die Investoren dann aber nicht mehr folgen und verweigerten eine notwendige Brückenfinanzierung, sodass Lesara Insolvenz anmelden musste. Warum genau die Geldgeber den Stecker letztlich zogen, lässt sich bisher aber noch nicht mit Gewissheit sagen.

4. Das Versandzentrum

Entstanden ist der Finanzbedarf vor allem durch den Bau eines Versandzentrums in Erfurt. Von Beginn an war dabei klar: Es musste zunächst kräftig investiert werden, um dann mittelfristig von den neuen Möglichkeiten zu profitieren. Neben Eigenkapital setzte das Startup auch auf öffentliche Fördergelder. Bis diese ausgezahlt werden konnte, sollte ein Kredit der Sparkasse die Liquidität sichern. Dieser wurde aber später ausgezahlt als von Kirsch und seinen Mitstreitern erwartet – was letztlich zur Insolvenz führte. Die Gründe dafür sind umstritten. Die Sparkasse wollte sich nicht konkret zum Einzelfall äußern. Ein Sprecher sagte gegenüber MDR Thüringen allerdings, es sei nicht unüblich, dass „unerfahrene Kreditnehmer die sehr individuell ausgehandelten Bedingungen aus den Augen verlieren“. Es scheint also so, als habe das Management von Lesara die Komplexität der Kreditvergabe schlicht unterschätzt.

So geht es jetzt weiter bei Lesara

Zunächst hatte das Mode-Startup eine Insolvenz in Eigenregie beantragt. Dieses Vorhaben wurde aber schnell wieder aufgegeben. Inzwischen hat daher Insolvenzverwalter Christian Graf Brockdorff das Zepter in der Hand. Der Betrieb des Shops konnte mithilfe des staatlichen Insolvenzgeldes zunächst aufrecht erhalten werden. Inzwischen allerdings drängt die Zeit. Denn bis Ende Januar muss mit einem neuen Investor eine Einigung erzielt werden. Andernfalls droht die Abwicklung – und den 350 Mitarbeitern die Arbeitslosigkeit. Die Schwierigkeit: Lesara ist nicht profitabel und wird auch in den nächsten Jahren zunächst kein Geld verdienen. Ein Investor muss daher über mehrere Jahre konkrete Finanzierungszusagen geben, um den Zuschlag zu erhalten. Aktuell wird mit mehreren Kandidaten verhandelt, ein Favorit hat sich öffentlich aber noch nicht herauskristallisiert.

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