Dass man Medikamente nicht einfach im Klo herunterspülen sollte, dürfte inzwischen weitgehend bekannt sein. Allerdings geschieht dies oftmals auch unfreiwillig. Denn zahlreiche Wirkstoffe werden in den Nieren des Menschen abgebaut und dann über den Urin ausgeschieden. Unser Abwasser ist daher beständig mit einem Mix aus verschiedenen Medikamentenresten belastet. Das Problem: In den bisher genutzten Kläranlagen mit drei Reinigungsstufen werden nur etwa zwanzig Prozent der Rückstände beseitigt. Leiten die Kläranlagen das noch immer belastete Wasser anschließend wieder in die Umwelt, kann dies Auswirkungen auf das lokale Ökosystem haben. Bei Fischen in betroffenen Flüssen wurden beispielsweise schon Nierenschäden und auffällige Verhaltensänderungen nachgewiesen. In der Vergangenheit war die schwäbische Rezat von den Belastungen mit Medikamenten-Rückständen besonders stark betroffen. Bisher verfügen die meisten Klärwerke in Deutschland nur über drei Reinigungsstufen. Bild: Louis-F. Stahl, CC BY-SA 3.0 de, Link Bei Niedrigwasser sind Flüsse besonders stark belastet Der Hintergrund: Im Sommer 2015 und 2017 führte der Fluss nur sehr wenig Wasser. Gleichzeitig leitet aber die Kläranlage im fränkischen Weißenburg ihr Abwasser in die Rezat. Dies hatte zur Folge, dass in den betroffenen Jahren zeitweise achtzig Prozent des Flusswassers aus dem Klärwerk stammte. Dementsprechend hoch war die Konzentration an Wirkstoffen aus Medikamenten. Auch deshalb entschied man sich in Weißenburg für den Start eines Pilotprojekts: In der örtlichen Kläranlage wird nun mit einer vierten Reinigungsstufe experimentiert. Dafür wird vor Ort Ozon erzeugt und mit dem Wasser in Verbindung gebracht. Der Effekt: Das Ozon zerfällt zu Sauerstoff und reagiert mit den Stoffen im Wasser. Diese werden dadurch in ihre Einzelteile zerlegt. Anschließend läuft das Wasser noch einmal durch einen Filter. Die Betriebskosten der Anlagen erhöhen sich Dieser kann entweder aus Aktivkohle oder aus Sand bestehen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. So beseitigt der Aktivkohle-Filter mehr Rückstände. Dafür muss er aber auch regelmäßig ausgetauscht werden. Die bei den bisherigen Tests erreichten Reinigungswerte können sich auf jeden Fall sehen lassen: Mit Sand-Filter konnten 82 Prozent der Rückstände beseitigt werden. Bei Verwendung von Aktivkohle waren es sogar 92 Prozent. Rein technisch lässt sich das Problem der Rückstände im Wasser also zumindest größtenteils lösen. Allerdings gibt es auch einen gewichtigen Nachteil: Die Reinigung des Abwassers wird deutlich teurer. In Weißenburg beispielsweise zahlen die Einwohner nun rund 15 Euro mehr pro Jahr für den Betrieb der Kläranlage. Verantwortlich dafür ist unter anderem die Tatsache, dass der Stromverbrauch durch die Erzeugung des Ozons um 25 Prozent gestiegen ist. In der Schweiz ist die Nachrüstung bereits beschlossene Sache Bevor zudem alle Kläranlagen entsprechende Investitionen tätigen können, ist zunächst einmal die Politik am Zug. Denn diese muss Grenzwerte definieren, die nicht überschritten werden sollten. Zuständig dafür sind in Deutschland die Bundesländer. Erst danach können die Betreiber entscheiden, für welche Form der vierten Reinigungsstufe sie sich entscheiden. Als Richtwert könnte dabei die sogenannte „Predicted No-Effect Concentration“ gelten. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um die Konzentration, bei der noch keine Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten sind. Denn auch bei Rückständen im Wasser gilt: Erst die Dosis macht das Gift. In der Schweiz ist man auf diesem Weg bereits deutlich weiter. Dort sollen bis zum Jahr 2040 hunderte Kläranlagen mit der vierten Reinigungsstufe ausgestattet werden. Wann es in Deutschland so weit sein wird, ist aktuell schwer zu prognostizieren. Via: FAZ Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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