Bei Operationen am Darm kommt es zwangsläufig zu Verletzungen der Darmwand, die anschließend wieder verschlossen werden müssen. Der Goldstandard ist diesbezüglich aktuell das Vernähen mit absorbierbaren Fäden. ForscherInnen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge haben nun eine Alternative Entwickelt: Eine Art chirurgisches Klebeband, das Verletzungen der Darmwand sicher verschließen kann und sich innerhalb einiger Wochen wieder auflöst. Die Methode hat gegenüber dem Vernähen mehrere Vorteile.


Bild: MIT/mit Genehmigung der ForscherInnen

Alternative zu herkömmlichen Nähten

Bei Beschädigungen des Dickdarms, die etwa durch Verletzungen oder chirurgische Eingriffe entstehen können, muss dieser bislang genäht werden, um dem Gewebe die Gelegenheit zu geben, wieder zusammenzuwachsen. Durch die Naht werden die Wundränder jedoch ungleichmäßig belastet, was zur vermehrten Bildung von Narbengewebe führt. Außerdem besteht das Risiko, dass die Naht reißt, was mit einer Erhöhung der Sterblichkeit der betroffenen Patienten um 30 Prozent einhergeht.

Die derzeit verwendete Lösung ist also nicht optimal. Ein Team rund um Jingjing Wu vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat ein chirurgisches Klebeband entwickelt, das eine mögliche Alternative darstellt. Mit ihm ist es möglich, Wunden am Darm ohne Naht zu verschließen. „Das Pflaster besteht aus einer nicht klebenden Oberschicht und einer trockenen, bioadhäsiven Unterschicht, wodurch ein dünnes, flexibles, transparentes und gebrauchsfertiges Pflaster mit gewebeähnlichen mechanischen Eigenschaften entsteht„, so die ForscherInnen. Die Verwendung während einer Operation ist denkbar einfach: Das Band wird durch den Operateur einfach wie ein Pflaster für die Haut von außen auf die Darmwand geklebt. Der auf dem Pflaster aufgetragene Klebstoff benötigt lediglich weniger Sekunden, um sich mit dem Gewebe zu verbinden.


Das Pflaster wurde bereits in Experimenten mit Ratten getestet. In diesen stellte sich heraus, dass es innerhalb von etwa 12 Wochen biologische abgebaut wurde, ohne dass im Blut giftige Abbaubestandteile nachgewiesen werden konnten. Die ForscherInnen gehen davon aus, dass sie mit dem Klebeband eine gute Basistechnologie geschaffen haben, aus der ein gebrauchsfertiges Produkt werden kann. „Chirurgen könnten es so verwenden, wie sie Klebeband in der nicht-chirurgischen Welt verwenden. Es bedarf keiner Vorbereitung oder vorherigen Schritte. Man nimmt es einfach heraus, öffnet es und benutzt es„, erklärt Wus Kollege Hyunwoo Yuk.

Pflaster besteht aus zwei Schichten

Auf der Oberseite des Pflasters befindet sich eine glatte Schicht aus einem Kunststoff, der biologisch abbaubar und ähnlich dehnbar und fest ist wie Darmgewebe. „ Wir wollen nicht, dass das Pflaster schwächer ist als das Gewebe, weil es sonst zu platzen droht. Wir wollen auch nicht, dass es steifer ist, denn das würde die peristaltische Bewegung im Darm einschränken, die für die Verdauung unerlässlich ist„, so Yuk. Auf der Klebeseite hingegen befindet sich Polyacrylsäure, die etwa auch in Windeln verwendet wird und sehr saugfähig ist. Diese nimmt bei Kontakt mit Feuchtigkeit Wasser auf und wird ausgesprochen klebrig. Sogenannte NHS-Ester dienen als zusätzlicher Klebstoff – sie verbinden sich mit Proteinen im Gewebe der Darmwand.

Außerdem haben die ForscherInnen ein Hydrogel beigemischt, dessen Aufgabe es ist, die Form des Klebebands zu erhalten und im Körper mindestens einen Monat stabil zu halten. Dies ist ausreichend lange, um einer typischen Darmverletzung Zeit zum Heilen zu geben. Durch eine Vordehnung der Klebeschicht vor Aufbringung der nicht klebenden Schicht wird verhindert, das das Aufquellen des Hydrogels den Riss in der Darmwand aufdehnt.

Studien mit menschlichen Probanden geplant

Das Team konnte auch bereits in Zellkulturen mit menschlichen Zellen die Biokompatibilität des Pflasters zeigen. Auch das Wachstum der Zellen wird nicht beeinträchtigt. In Experimenten mit lebenden Ratten und Schweinen behandelten die WissenschaftlerInnen dann Darmverletzungen mit ihrem Pflaster. Dabei traten weniger Entzündungsreaktionen und Narbenbildung auf als bei der herkömmlichen Methode. Die Verletzungen konnten in vier Wochen vollständig geheilt werden, ohne dass es Anzeichen einer Leckage gab.

In mittelbarer Zukunft wollen die ForscherInnen nun weitere Studien durchführen und das Pflaster weiterentwickeln, bis sie es schließlich am Menschen testen können. „Jedes Jahr werden weltweit Millionen von Operationen durchgeführt, um Magen-Darm-Defekte zu reparieren, und die Leckagerate beträgt bei Hochrisikopatienten bis zu 20 Prozent. Das Klebeband könnte dieses Problem lösen und möglicherweise Tausende von Leben retten„, so Xuanhe Zhao, der an der Entwicklung beteiligt ist.

via MIT

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