Alkoholkranken Menschen stehen eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Neben klassischen Entzugstherapien gibt es auch medikamentöse Möglichkeiten. Und auch die als „Abnehmspritzen“ bekannt gewordenen Medikamente Semaglutid und Liraglutid, die zur Therapie von Diabetes und Fettleibigkeit eingesetzt werden, können zur Therapie von Alkoholsucht verwendet werden, wie Forscher:innen nun herausfinden. Alkoholiker:innen, die mit diesen Medikamenten behandelt werden, nehmen weniger Alkohol zu sich und landen seltener im Krankenhaus.


Erwünschte Nebenwirkung

Bei Semaglutid und Liraglutid handelt es sich um sogenannte GLP-1-Agonisten, die an den GLP-1-Rezeptor binden und dafür sorgen, dass mehr Insulin und weniger Glucagon ausgeschüttet wird. So helfen sie bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels und wirken so sowohl gegen Diabetes als auch als Unterstützung beim Abnehmen.


Aber offenbar können die Medikamente auch bei Alkoholsucht eingesetzt werden. Das legen zumindest erste Studien an Menschen und Tieren nahe. Diese zeigten, dass GLP-1-Agonisten bei Alkoholiker:innen den Konsum von Alkohol und anderen Substanzen deutlich verringern können. „Patienten berichten, dass sie weniger Alkohol trinken, seit sie ein Semaglutid-Medikament nehmen. Ähnliche Beobachtungen wurden auch von Wissenschaftlern auf internationalen Konferenzen hervorgehoben, sodass wir uns entschlossen haben, dies genauer zu untersuchen„, erklärt Markku Lähteenvuo von der Universität Ostfinnland.

Gemeinsam mit seinen Kolleg:innen hat er Daten aus einem schwedischen Patientenregister analysiert, in dem mehr als 220.000 Menschen registriert sind, bei denen zwischen 2006 und 2021 eine Alkoholkonsumstörung festgestellt werden konnte. Das Team untersuchte, welche Medikamente diese Patient:innen im Zeitraum von 2006 bis 2023 einnahmen und wie oft sie währenddessen im Krankenhaus behandelt wurden.

Erste Studien sind vielversprechend

Im Rahmen der Analyse stellten die Forscher:innen fest, dass unter den alkoholkranken Studienteilnemer:innen 4.321 zeitweise Semaglutid und 2.509 Liraglutid einnahmen. Dies geschah entweder zur Behandlung einer Fettleibigkeit oder von Diabetes Typ 2. Dabei kristallisierte sich eine Nebenwirkung heraus: Ein deutlich reduzierter Alkoholkonsum im Vergleich zu den Zeiten, in denen die Teilnehmer:innen die Medikamente nicht nahmen. Bei Semaglutid reduzierte sich das Risiko eines Krankenhausaufenthalts wegen Alkohol- oder Drogenkonsums um 36 bzw. 32 Prozent. Bei Liraglutid waren es 28 bzw. 22 Prozent.

Es zeigte sich also, dass beide Abnehmspritzen das Risiko für alkoholbedingte Krankenhausaufenthalte signifikant senkten – stärker noch als Medikamente, die offiziell für die Behandlung von Alkoholkonsumstörungen zugelassen sind. Das wirksamste unter diesen Medikamenten heißt Naltrexon und senkt das entsprechende Risiko um 14 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Studienteilnehmer:innen, die einen GLP-1-Antagonisten spritzten, auch seltener wegen anderer körperlichen Erkrankungen im Krankenhaus behandelt. Im Falle von Semaglutid sank das entsprechende Risiko um 22 Prozent, bei Liraglutid waren es 21 Prozent.

Weitere Prüfung nötig

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass diese als „Abnehmspritzen“ bekannte Medikamente noch weiteren Nutzen über ihre bisherige Zulassung hinaus haben. Einen ähnlichen Schluss bezüglich des Einsatzes von GLP-1-Antagonisten gegen Alkohol- und Substanzkonsumstörungen kam eine große Patientenstudie aus den USA.

Die Forscher:innen betonen indes auch, dass weitere, randomisierte und kontrollierte Studien nötig seien, um die Ergebnisse entsprechend zu validieren. Anschließend könne eine Zulassung von Semaglutid und anderen GLP-1-Antagonisten zur Behandlung von Alkoholkonsumstörungen angestrebt werden.

Der genaue Wirkmechanismus hinter dieser „Nebenwirkung“ der Wirkstoffe ist noch unklar. Es ist noch nicht einmal zu 100 Prozent bewiesen, dass ein kausaler Zusammenhang besteht. Ein Grund mehr, die bisherigen Ergebnisse weiter zu überprüfen.

via Universität Ostfinnland

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.