Die Physik wird vom Standardmodell der Teilchenphysik beherrscht. Es beschreibt, wie die Teilchen und Kräfte, die in unserem Universum existieren, sich verhalten. Wiederholt haben Physiker aber Hinweise gefunden, die auf Verletzungen von fundamentalen Physik-Gesetzen hindeuten. So nun auch Forscher am CERN in der Schweiz. Beim Zerfällen von Beauty-Quarks im Teilchenbeschleuniger LHC fanden sie Widersprüche mit dem sogenannten Lepton-Universalität des Standardmodells. Dies könnte sich als Hinweis auf Prozesse oder Teilchen jenseits des uns Bekannten herausstellen.


Large Hadron Collider at CERN
The Large Hadron Collider/ATLAS at CERN, Image Editor, Flickr, CC BY-SA 2.0

Standardmodell nicht vollständig

Das Standardmodell der Teilchenphysik leidet darunter, dass es nicht vollständig ist. Weder die Natur der Dunklen Materie noch die Dunkler Energie lässt sich von ihm erfassen und beschreiben. Auch die Tatsache, dass im Kosmos mehr Materie als Antimaterie existiert, kann das Modell nicht erklären. Physiker vermuten deshalb schon länger, dass es Vorgänge und Teilchen gibt, die über das Standardmodell hinausgehen.

Indizien dafür, dass dies zutrifft, wurden in den vergangen Jahren immer wieder gefunden. Jüngstes Beispiel ist eine Abweichung im Zerfallsbild kollidierender Protonen, die von Forschern am CERN in der Schweiz entdeckt wurden. Wenn im Teilchenbeschleuniger LHC Atome aufeinanderprallen, entstehen kurzlebige Elementarteilchen, darunter auch das sogenannten Beauty-Quark.


Vermehrt Hinweise auf Widersprüche

Dieses Beauty-Quark lässt beim Zerfall entweder zwei Elektronen oder zwei Myonen entstehen – beides Teilchen, die zum Teilchentyp der Leptonen gehören. „ Nach dem Standardmodell haben die verschiedenen Leptonen, Elektron, Myon und Tau, die gleichen Wechselwirkungsstärken – das wird als Lepton-Universalität bezeichnet“, so die Physiker der LHCb-Kollaboration. Beim Zerfall von Beauty-Quarks müssten daher eigentlich mit gleicher Wahrscheinlichkeit Myonen und Elektronen entstehen.

Bereits 2015 und 2017 gab es aber in den Daten von Protonenkollisionen Hinweise darauf, dass dies nicht zutrifft. Bei den Zerfallen entstanden mehr Elektronen als Myonen. Der Unterschied ist zwar nicht massiv, aber signifikant genug, um kein Zufall mehr zu sein. Dies deutet auf eine Verletzung der Leptonen-Universalität hin. Bisher lagen die Signifikanzen dieser Abweichungen bei einem Wert von etwa zwei Standardabweichungen (Sigma). Zufällige Schwankungen konnten so nicht völlig ausgeschlossen werden.

Mehr Untersuchungen geplant

Neue Daten vom LHCb-Detektor am Cern erhärten den Verdacht der Forscher nun. Die Daten stammen aus der neuesten Laufzeit des Teilchenbeschleunigers Large Hadron Collider (LHC). Für den Beauty-Quark-Zerfall ermittelten die Forscher eine Abweichung mit einer Sinigikanz von 3,1 Sigma. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Beobachtungen mit dem Standardmodell übereinstimmen, sind somit sehr gering. Ausreichend Anhaltspunkte für eine offizielle Entdeckung sind allerdings noch nicht vorhanden. In der Teilchenphysik sind dafür fünf Sigma nötig. In diesem Fall beträgt die Chance auf eine Übereinstimmung noch 0,00003 Prozent.

Wenn sich die Verletzung der Lepton-Universalität bestätigt, dann würde dies neuartige physikalischen Prozesse und Interaktionen erfordern“, fasst LHCb-Sprecher Chris Parkes von der University of Manchester die Situation zusammen. Die Physiker wollen nun dazu übergehen, weitere Daten aus dem LHC-Teilchenbeschleuniger und anderen Beschleunigern weltweit auszuwerten.

Weitere Studien zu verknüpften Prozessen laufen bereits. Wir sind gespannt, ob sie die faszinierenden Hinweise der aktuellen Ergebnisse stärken werden“, so Parkes.

via Universität Zürich

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