Bei der Amytrophen Lateralsklerose (ALS) handelt es sich um eine degenerative Erkrankung des Nervensystems, bei der die Nervenzellen, die die Bewegungen der Muskeln steuern, langsam absterben. Die Folge ist ein fortschreitender Muskelschwund. Letztlich können die Betroffenen nicht einmal mehr eigenständig atmen. Bislang gibt es keine wirklich wirksamen Medikamente gegen ALS. Dies könnte sich nun ändern. Forscher:innen haben einen Wirkstoff entdeckt, der das Voranschreiten einer ALS-Erkrankung stoppen könnte. Dieser hemmt einen biomechanischen Mechanismus, der zum Absterben von Nervenzellen führt. Der Wirkstoff soll nun in klinischen Studien getestet werden. Neue Substanzklasse auf dem Prüfstand Bekannt wurde ALS durch den Physiker Stephen Hawking, der von der Krankheit betroffen war. Auch die sogenannte Ice-Bucket-Challenge trug ihren Teil dazu bei, die Krankheit ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. In Deutschland sind zwischen sechs und acht Menschenpro 100.000 Einwohner:innen an ALS erkrankt. Die meisten von ihnen sterben zwischen zwei und fünf Jahre nach dem die Diagnose gestellt wurde. Der entsprechende Wirkstoff wurde von einem Team rund um Jing Yan von der Universität Heidelberg entwickelt. Er hört auf den Namen FP802 und gehört zu den sogenannten „TwinF Interface Inhibitoren“, einer Klasse von Hemmstoffen, die die Interaktion zwischen dem NMDA-Rezeptor und dem Protein TRPM4 unterbrechen. Diese bilden auf der Oberfläche von Nervenzellen normalerweise einen tödlichen Doppel-Komplex . NDMA-Rezeptoren werden durch den Neurotransmitter Glutamat aktiviert. Dies trägt bei Aktivierung an Synapsen im Gehirn zu Lern- und Gedächtnisprozessen und zum Schutz von Nervenzellen bei. Wird der Rezeptor an anderen Stellen auf den Neuronen aktiviert, führt das zu Schäden und zum Tod der Nervenzellen. Verantwortlich dafür ist ein Protein namens TRPM4. Dieses verleiht den NMDA-Rezeptoren außerhalb der Synapsen (eNMDAs) toxische Eigenschaften. Wirkstoff hemmt das Fortschreiten von ALS Dieser Protein-Komplex aus eNMDAs und TRPM4 spielt auch bei ALS eine Rolle. Yan und seine Kolleg:innen testeten nun, ob sich die „TwinF Interface Inhibitoren“ auch als ALS-Medikament eignen. Für den Test von FP802 verwendeten die Forscher:innen Hirn-Organoide von ALS-Patient:innen. Dabei handelt es sich um dreidimensionale Zell-Modelle von menschlichen Gehirnen. Außerdem kam ein ALS-Mausmodell zum Einsatz. Die Experimente mit den Hirn-Organoiden zeigten, dass sich FP802 an TRPM4 bindet und die Kontaktfläche zum NDMA-Protein besetzt. So wird verhindert, dass sich der Komplex aus eNMDAs und TRPM4 bildet. Bemerkenswerterweise wird dabei nur die schädliche Anlagerung außerhalb der Synapsen gehemmt, nicht aber die Anlagerung innerhalb der Synapsen, welche physiologisch wichtig ist. Bei den Mäusen konnte der Hemmstoff außerdem den Tod von Nervenzellen verhindern, weshalb es nicht zu Verlust von Bewegungsneuronen im Rückenmark kam, sodass sich die motorischen Fähigkeiten der ALS-kranken Versuchstiere im Gegensatz zu einer unbehandelten Kontrollgruppe verbesserten. Insgesamt wurde das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt, sodass die Tiere länger lebten. Neue Hoffnung für ALS-Patienten „Mit diesem ganz neuen therapeutischen Ansatz bei neurodegenerativen Erkrankungen konnten wir erstaunliche Erfolge erzielen. Auf dem langen Weg hin zu einer wirksamen Behandlung von ALS-Patienten könnten uns diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung einen entscheidenden Schritt voranbringen„, so Seniorautor Hilmar Bading von der Universität Heidelberg. Nun wollen die Forscher:innen die „TwinF Interface Inhibitoren“ so weiterentwickeln, dass sie als Medikament sicher sind. Das Molekül FP802 soll nun für die Anwendung beim Menschen optimiert und dann in klinischen Studien auf den Prüfstand gestellt werden. via Universität Heidelberg Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter