Der Behandlungserfolg von Krebserkrankungen ist unter anderem maßgeblich davon abhängig, wann diese erkannt werden. Deshalb ist es umso wichtiger, Diagnosemethoden weiter oder neu zu entwickeln, um Krebserkrankungen so früh wie möglich erkennen zu können. In diese Kerbe schlägt ein neuer Bluttest des US-Unternehmens Grail, der Fragmente von Krebszellen im Blut aufspüren kann noch bevor Symptome auftreten. Dem Krebs auf der Spur Die Effizienz des Tests wurden in der sogenannten „Pathfinder“-Studie von Ärzten rund um Deb Schrag vom Memorial Sloan Kettering Care Center in New York untersucht. Die Ergebnisse der Studie wurden Anfang September auf der Jahreskonferenz der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) vorgestellt. Der Test hört auf den Namen Galleri-Test und gehört zu den sogenannten „Multi-cancer early detection“-Tests (MCED)“. Er sucht im Blut der Testperson nach kleinen Mengen von Krebs-DNA, die als circulating tumour DNA, (ctDNA) bezeichnet werden. Diese DNA wird daraufhin untersucht, ob bei ihr andere Gene an- und abgeschaltet sind als bei gesunden Zellen. Dafür gibt es charakteristische chemische Veränderungen. Abgeschaltete Gene tragen zusätzliche Methylgruppen, was sie identifizierbar macht. Das sogenannte Methylierungsmuster zeigt, welche Gene aktiv sind und welche sich in einem abgeschalteten Zustand befinden. So kann mit dem Test festgestellt werden, ob es sich um Tumor-DNA oder gesunde DNA handelt. 949-Dollar für den Bluttest Derartige Früherkennungstests dürften in der Krebsdiagnostik in mittelbarer Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Mit ihnen sollen zahlreiche Krebsarten früh erkannt werden können, für die es aktuell noch keine Screeningmethoden gibt. Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Bisher sind viele Vorsorgeuntersuchungen eher die Ausnahme als die Regel. Screeningmaßnahmen, die heute durchgeführt werden, sind unter anderem Mammografien, Gebärmutterhals-Abstriche und ein Prostatakrebs-Bluttest zur Bestimmung des PSA-Wertes, aber auch Hautkrebs-Screenings beim Hautarzt. Viele Krebserkrankungen werden aber erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, nämlich dann, wenn spür- oder sichtbare Beschwerden auftreten. Dies ist in der Regel erst dann der Fall, wenn die Krebszellen sich schon deutlich vermehrt haben. In den USA ist der Grail-Test auf Rezept bereits erhältlich. Kostenpunkt: 949 US-Dollar. Da ihm allerdings bisher die Zulassung der US-Zulassungsbehörde FDA fehlt, wird er von den meisten Versicherungen derzeit nicht übernommen. Die Studienergebnisse indes sind relativ vielversprechend. Bei mehr als zwei Dritteln der positiv getesteten Patienten lieferte der Test Hinweise auf Krebsarten, für die es keine Screening-Verfahren gibt. Etwa die Hälfte aller Krebsfälle führten zu einer Krebserkennung im frühen oder mittleren Entwicklungsstadium. Leber-, Dünndarm- und Gebärmutterkrebs etwa wurde in Phase I erkannt, Knochenkrebs sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs, der im Regelfall erst sehr spät erkannt wird, konnte in Phase II diagnostiziert werden. „Setzt man die MCED-Tests zusätzlich zu den Standard-Screenings ein, verdoppelt sie die Zahl der gefundenen Krebsfälle im Vergleich zum alleinigen Einsatz der Standardtests„, so Jeffrey Venstrom, medizinischer Vorstand bei Grail. Die Ergebnisse im Detail Im Rahmen der Pathfinder-Studie wurden mehr als 6.600 Patient:innen über 50 untersucht. Bei 92 Teilnehmer:innen konnte der Galleri-Test DNA-Veränderungen feststellen. Bei 35 dieser Probanden konnte die Krebserkrankung dann innerhalb von zwei Monaten bestätigt werden. Der positive Vorhersagewert des Tests beträgt damit 38 Prozent. Der Test ist außerdem in der Lage, in positiven Fällen auf die Gewebeursprung des Tumors hinzudeuten. Diese Vorhersage trag zu 97,1 Prozent zu. „Das Aufregende an diesem Ansatz ist, dass er sowohl solide Tumore als auch flüssige Tumore detektiert hat„, so Deb Schrag. Neben bösartigen Wucherungen kann der Test auch Blutkrebsfälle finden. Die Sensitivität des Tests wurde in der Studie noch nicht genau beziffert. Bezogen auf den Bluttest würde dieser Wert angeben, wie oft tatsächlich vorhandene Krebsfälle auch erkannt werden. Venstrom zufolge könnte dieser Wert über 99 Prozent liegen, da weniger als ein Prozent der Bluttestergebnisse falsch positiv waren. Sollte sich dies bestätigen, wäre das ein gutes Ergebnis. Speziell in der Krebsdiagnostik sind falschpositive Erkrankungen ein Problem, da sie oft mit großen psychischen Belastungen für die Betroffenen einhergehen und der Auslöser für weitere, invasive und teure Tests sind. „Es ist ein wichtiges Ergebnis, dass nur wenige Teilnehmer mehrere invasive Eingriffe wie Endoskopien und Biopsien benötigten„, so Schrag. Wie gut der Test krebsfreie Menschen als solche erkennt, testeten die Forscher:innen mit einer Gruppe mit 6290 Teilnehmer:innen. Dieser Wert wird als Spezifität bezeichnet und liegt bei sehr guten 99,1 Prozent. Alle Probanden wurden unabhängig vom Testergebnis ein Jahr später noch einmal auf Krebs untersucht. Wenn bei dieser Diagnostik eine Krebserkrankung gefunden wurde, obwohl der Test zuvor negativ war, wertete das Team das Ergebnis als falsch-negativ. Fester Teil der Vorsorge Um den Bluttest weiter zu verbessern sollen nun Untersuchungen mit größeren Probandengruppen durchgeführt werden. Dabei geht es darum, den Test so zu verbessern, dass er Krebs-DNA im Blut noch besser von herkömmlicher DNA unterscheiden kann. Onkologen gehen davon aus, dass derartige Tests bald fester Teil der Krebsvorsorge werden. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden wir mehr Ärzte, Chirurgen und Pflegekräfte brauchen, zusammen mit mehr Infrastruktur für Diagnostik und Behandlungen, um für die wachsende Zahl von Menschen zu sorgen, die von Multi-Krebsfrüherkennungstests identifiziert werden„, so der ESMO-Vorsitzende Fabrice André. via ESMO Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter