Krebs gehört gleich nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Eine immer komplexere Diagnostik sowie fortschrittliche Therapieverfahren vergrößern den zeitlichen sowie personellen Aufwand rund um die bösartige Erkrankung. Dass auch Künstliche Intelligenz in diesem Bereich Vorteile bieten könnte, vermuten Expert*innen schon seit Längerem. Nun testen Mediziner*innen in Dresden gemeinsam mit einem Startup, wie sich KI-basierte Software in der Realität präsentiert. Mehr Aufwand, weniger Personal Dass das Tumorscreening in Deutschland seit einigen Jahren ausgeweitet wird, erhöht das Arbeitsaufkommen im Gesundheitssystem. Vor allem pathologische Institute stehen unter großem Druck, denn sie leiden bereits an Fachkräftemangel. Folglich muss sich ein immer weiter wachsendes Arbeitspensum auf immer weniger Köpfe verteilen. Mit Künstlicher Intelligenz könnte dies ein wenig aufgefangen und abgemildert werden. Entlastung durch Software ist nicht neu: In vielen Bereichen der Wirtschaft und auch des Gesundheitssektors sind automatisierte Abläufe und technologische Unterstützung längst normal. Dennoch gilt es, neue Einführungen in der Medizin sowie Pflege sorgsam zu planen, um auch die Akzeptanz des Personals gegenüber innovativer Technik zu fördern. In der Bildanalyse könnte sich Künstliche Intelligenz in der Pathologie als hilfreich erweisen. Hiervon gehen Expert*innen des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Dresden aus. In Kooperation mit dem Startup-Unternehmen asgen, welches ebenfalls in Dresden ansässig ist, testet das Fachpersonal derzeit eine KI-Software, welche die Krebsdiagnostik verbessern soll. KI-Software PAIKON soll die Diagnostik optimieren Das Dresdner Unternehmen asgen entwickelt unter Mitarbeit mehrerer Expert*innen PC-Anwendungen sowie bioinformatische Pipelines für die Automatisierung bislang aufwändiger Prozesse in der klinischen Praxis. Die Software, welche am Universitätsklinikum getestet wird, trägt den Namen PAIKON. Als KI-Pipeline gelingt es PAIKON, komplette Tumorareale binnen kürzester Zeit automatisch zu erfassen und auf mikroskopischer Ebene zu untersuchen. HER2-FISH-Analyse nennt sich dieses Verfahren, das in Bezug auf Magen- und Brusttumore Anwendung findet. Hier untersucht PAIKON bestimmte Tumormarker und ermöglicht so die Auswahl einer passenden Therapie. Bislang nimmt dieser Prozess noch sehr viel Zeit in Anspruch. Beinahe überall müssen sich Patholog*innen gemeinsam mit geschulten Mitarbeitenden wie Medizinisch Technischen Laboratoriumsassistierenden (MTLA), einem aufwendigen Prozess widmen. Im Rahmen dieses Prozesses zählen die Verantwortlichen Tumormarker in etwa 20 stichprobenartig ausgewählten Zellkernen. Hierdurch soll der Erfolg einer Maßnahme kontrolliert und auch die Auswahl passender Interventionen ermöglicht werden. Nicht selten müssen außerdem weitere Expert*innen hinzugezogen werden, um auftretende Unsicherheiten und Fragen zu beantworten. Die bei Bedarf angewendete Analyse größerer Zellkern-Zahlen und Wiederholungen der Untersuchung verleihen der Methode schon heute eine gute Verlässlichkeit, bringen jedoch erheblichen Mehraufwand mit sich. Aufwand, den die Pathologie angesichts des Fachkräftemangels nicht ohne Weiteres bewältigen kann. Empaia: Staatlich geförderte KI-Forschung Das Dresdner Projekt muss nicht aus eigener Tasche finanziert werden. Im Rahmen des Leuchtturmprojekts EMPAIA, welches durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, erhalten die Akteure entsprechende finanzielle Unterstützung. Hinter EMPAIA stehen namhafte Wissenschaftler*innen, die die Welt der Medizin revolutionieren und dabei ambitionierte Ziele verfolgen wollen. Elf Millionen Euro vom Staat plus 6,2 Millionen Euro aus der Industrie fließen in das Projekt. Im Zentrum stehen vor allem KI-Lösungen, aber auch die Gestaltung eines allgemein entwicklungsfördernden Umfeldes für den Weg in eine digitale Zukunft. Schneller und zuverlässiger: Die Zukunft der Medizin? Die Funktionsweise von PAIKON ist faszinierend: Nachdem das System eine „Region of interest“, kurz ROI, festgelegt hat, analysiert es die darin befindlichen Zellkerne auf mikroskopischer Ebene. Innerhalb der Zellkerne zu findende Tumormarker fließen dann in eine Analyse ein. Der Mensch ist jedoch auch bei PAIKON noch nicht gänzlich unbeteiligt. Die Patholog*innen können weiterhin beeinflussen, welche ROI untersucht werden soll und auch die Zellkerne eigenständig segmentieren. Ganz ähnlich läuft die derzeitige Entwicklung in Bezug auf Robotik ab. Moderne Roboter, welche sich teilweise flexibler und präziser als die menschliche Hand einsetzen lassen, verändern die Tumorbehandlung zum Positiven. Der Mensch bleibt allerdings weiterhin in einer Position, die ihm Kontroll- und Einflussmöglichkeiten offenhält. Auch Expert*innen des derzeit in Dresden laufenden Projekts merken an, dass eine Koexistenz von Mensch und KI schon während der ersten Jahre wichtig ist, um Akzeptanz zu schaffen. Mediziner*innen, die sich nicht durch Automatisierungslösungen, Robotik oder Künstliche Intelligenz bedroht fühlen, akzeptieren diese leichter als willkommene Assistenz. Langfristig könnte diese Akzeptanz der medizinischen Versorgung zugutekommen und den sich vermutlich verschärfenden Fachkräftemangel dämpfen. Dass KI und Roboter den Menschen einmal voll und ganz ersetzen werden, bleibt jedoch weiterhin Zukunftsmusik. Beruhigend für all jene, die schon jetzt in der Koexistenz die beste Lösung sehen. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
Ohne Brillen oder Kontaktlinsen: So soll Kurzsichtigkeit schon in jungem Alter unter Kontrolle gebracht werden