Mit den Fortschritten im Bereich künstliche Intelligenz wird auch eine immer weiter fortschreitende Automatisierung im Arbeitssektor einhergehen. Die Sorge, dass Roboter uns eines Tages die Arbeitsplätze wegnehmen werden, ist nun bereits ein paar Jahre alt. Ein Mittel dagegen könnte das bedingungslose Grundeinkommen sein. Finland startet nächstes Jahr ein Pilotprojekt, bei dem das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens weltweit erstmals für ein komplettes Land getestet wird. 560 Euro ohne Gegenleistung Nach Schätzungen des World Economic Forums werden bis 2020 mehr als fünf Millionen Jobs in den 15 wichtigsten Industrieländern der Automatisierung zum Opfer fallen. Im Zuge solcher Entwicklungen wird das bedingungslose Grundeinkommen als notwendige Reaktion auf die fortschreitende Automatisierung schon länger diskutiert. Finnland wird das Konzept nun in einem Pilotprojekt testen. 2000 Menschen sollen im nächsten Jahr je 560 Euro vom Staat erhalten ohne dabei eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Das ist nicht weniger, als man durch Sozialhilfe und andere Leistungen in Finnland sowieso schon erhalten kann. Allerdings erhöht jeder zusätzliche Verdienst das Gesamteinkommen der Probanden. Vorerst sollen nur Arbeitslose das Geld erhalten, die ohnehin auf Hilfe vom Staat angewiesen wären. Zusätzlich zum Grundeinkommen werden diese Menschen noch Wohngeld beziehen. Der Betrag ist mit 560 Euro absichtlich so niedrig gewählt, dass damit ein komfortables Leben in Finnland kaum möglich sein dürfte. „Das wichtigste Ziel ist herauszufinden, wie wir die Anreize zur Arbeit erhöhen können„, so Finnlands Wirtschaftsminister Olli Rehn. Die Frage, ob der Bürger gewillt ist, zu arbeiten, wenn der Staat bedingungslos seine Existenz sichert, ist eine der größten Fragen hinter dem bedingungslosen Grundeinkommen. Grundeinkommen soll Flexibilität des Arbeitsmarktes erhöhen Der Zeitpunkt für den Versuchsstart scheint gut gewählt. Finnlands Wirtschaft erholt sich langsam von einer dreijährigen Rezession, die von dem Niedergang des Handykonzerns Nokia geprägt war. Die Arbeitslosenquote beträgt etwa neun Prozent, das Wirtschaftswachstum einen Prozent. Wenig Jobs und geringes Wachstum sind genau die Eigenschaften, die für die nächsten Jahre in vielen Industriestaaten eintreten können. Ein Grundeinkommen könnte den Menschen Sicherheit in wirtschaftlich unsicheren Zeiten geben. In einer dynamischen Arbeitswelt sind fortlaufende Fortbildungen erforderlich, und die Digitalisierung stellt immer wieder neue Ansprüche an die Arbeitnehmer. Das Grundeinkommen könnte für mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Finanzierung eines flächendeckenden Grundeinkommens ist weiterhin unklar Eines wird aber auch der finnische Versuch nicht beantworten: Wie soll das Grundeinkommen bezahlt werden. Das Projekt in Finnland ist ausgabenneutral geplant und soll 20 Milliarden Euro kosten. Ein Argument für das Grundeinkommen ist, dass bei einem gebündelten Grundeinkommen Verwaltungskosten im Sozialbereich gespart werden können. Dennoch würden sich vor allem größere Länder die Frage stellen müssen, wie ein Grundeinkommen zusätzlich finanziert werden könnte. Denn am Ende sollen ja nicht nur Arbeitslose diese Leistung erhalten, sondern jeder Bürger eines Landes, unabhängig davon, ob es sich um einen Arbeitslosen, einen Straßenfeger oder einen Neurochirurgen handelt. Möglich wäre es beispielsweise, neue Steuermodelle einzuführen, die zum Beispiel eine Erhöhung der Wertschöpfungssteuer beinhalten. Aber ob mehr Steuern wirklich ein sinnvoller Ansatz wäre, darf bezweifelt werden. Ist 560 Euro Grundeinkommen genug? Auch über die Höhe des Grundeinkommens hat sich die finnische Regierung offenbar viele Gedanken gemacht. Ein zu hohes Grundeinkommen birgt die Gefahr, dass den Menschen der Arbeitsanreiz genommen wird. Sicherlich wird der Neurochirurg nicht aufhören zu arbeiten, weil er 500 oder 1000 Euro im Monat bedingungslos erhält. Aber trifft das auch auf den Straßenfeger zu? Ein Argument der Verfechter des Grundeinkommens ist es, dass es den Menschen mehr Raum zur Selbstverwirklichung geben würde. Aber auch in einer Zukunft mit mehr Automatisierung wird es Jobs geben, die die meisten Menschen nicht gerne machen würden, die aber dennoch gemacht werden müssen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen darf nicht so hoch sein, dass es keine Motivation mehr gibt, auch ungeliebte Jobs zu übernehmen. Finnlands Pilotprojekt ist ein erstes Vorfühlen in Richtung des bedingungslosen Grundeinkommens. Eine Einführung würde nicht von heute auf morgen gelingen – da sind sich die Experten grundlegend einig. Wahr ist aber auch, dass wir in den nächsten Jahren auf dem Arbeitsmarkt auf erhebliche Herausforderungen treffen werden und es notwendig ist, Möglichkeiten zu finden, diesen Herausforderungen zu begegnen. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter