In Steven Spielbergs Film „Minority Report“ aus dem Jahr 2002 wird eine düstere Zukunftsvision dargestellt: Die Abteilung Precrime der Polizei ermittelt mithilfe dubioser Methoden zukünftige Mörder und verhaftet diese, bevor sie die Tat überhaupt begehen können. Anschließend werden die potentiellen Täter ohne Gerichtsurteil dauerhaft in Gewahrsam gehalten. Im Film wurde der Ansatz der vorausschauenden Verbrechensbekämpfung somit deutlich übertrieben. Grundsätzlich kann es aber natürlich schon sinnvoll sein, wenn die Polizei frühzeitig über mögliche Verbrechen informiert ist. Verschiedene Bundesländer haben daher inzwischen Projekte angeschoben, bei denen Algorithmen die vorhandenen Verbrechensstatistiken auswerten und daraus eine Prognose für die Zukunft ableiten. Bekannt ist dieser Ansatz unter dem Namen „Predictive Policing“. Foto: OlliFoolish [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], from Wikimedia Commons Wie funktioniert das „Predictive Policing“? Grundsätzlich erfassen die Polizeibehörden schon seit längerer Zeit eine Vielzahl an Daten. So wird etwa jeder Einbruch erfasst. Diese Daten werden nun speziellen Algorithmen zur Verfügung gestellt und mit weiteren Faktoren kombiniert. So erhält die Software unter anderem auch Angaben über die Wetterprognose, die Bebauung der einzelnen Stadtteile, die Verkehrsanbindung und die sozioökonomische und demographische Struktur. Die Hoffnung ist nun, dass der Algorithmus bei den bereits stattgefundenen Einbrüchen ein Muster erkennt und dadurch besonders gefährdete Gebiete benennen kann, in denen dieses Muster ebenfalls vorzufinden ist. Dort kann dann beispielsweise die Zahl der Polizeistreifen erhöht werden. Anders als etwa in den Vereinigten Staaten kommen in Deutschland aber keine personenbezogenen Daten zum Einsatz. Was sind die Vorteile der Verbrechensbekämpfung mit Big Data? Grundsätzlich ist es natürlich immer gut, wenn Verbrechen verhindert werden können. Die Unterstützer des Systems verweisen zudem darauf, dass die vorhandenen Polizeikräfte so effizienter genutzt werden können, weil die Beamten gezielter an Gefahrenpunkten eingesetzt werden können. Mit Anschaffungskosten von rund 600.000 Euro ist die Technik sogar vergleichsweise günstig. Durch die Prognose des Algorithmus kann die Polizeipräsenz nicht nur an Orten verstärkt werden, wo bereits vermehrt Verbrechen verübt worden, sondern es sind auch proaktive Handlungen möglich. Im Idealfall ist die Polizei den Verbrechern also immer schon einen Schritt voraus – was langfristig zu weniger Straftaten und einem höheren Sicherheitsgefühl der Bevölkerung führen könnte. Solange lediglich allgemeine Statistiken genutzt werden, wird zudem der Datenschutz der Bürger vollständig gewahrt. Was sind die Nachteile des „Predictive Policing“? Obwohl schon seit einiger Zeit im Einsatz, muss bisher festgestellt werden: Bisher konnte in keiner Studie ein konkreter Nutzen nachgewiesen werden. Es hat sich also weder die Zahl der Festnahmen signifikant erhöht, noch die Zahl der Einbrüche entscheidend verringert. Es ist daher nicht auszuschließen, dass hier Ressourcen gebunden werden, die an anderer Stelle sinnvoller genutzt werden können. Der Ansatz leidet außerdem unter einem grundsätzlichen Problem: Wenn die Einsatzplanung auf der Analyse von Daten aus der Vergangenheit beruht, dann wirkt sich dies wiederum auf die Daten der Zukunft aus. So zeigt die Erfahrung: Wird in einem Viertel besonders stark kontrolliert, werden dort auch mehr Straftaten registriert. Dies wiederum verzerrt die Statistik und kann somit zu Fehlplanungen führen. Experten empfehlen daher, zusätzlich zur Prognose der Software immer auch auf die Expertise von erfahrenen Polizeibeamten zu vertrauen. Wo ist das System bisher bereits im Einsatz? Insgesamt sechs Bundesländer setzen bisher auf „Predictive Policing“. Allerdings kommt kein einheitliches System zum Einsatz, sodass sich die Daten nur schwer vergleichen oder austauschen lassen. So setzen Bayern und Baden-Württemberg auf Systeme kommerzieller Anbieter. Selbiges gilt im Prinzip für Niedersachsen und Hessen – wo die Software aber in Eigenregie weiter entwickelt wurde. Berlin und Nordrhein-Westfalen wiederum setzen auf komplette Eigenentwicklungen. In NRW wird die Technik zudem nicht nur zur Prognose von Vermögensdelikten wie Einbrüchen genutzt, sondern kommt inzwischen auch bei Gewaltdelikten zum Einsatz. Das Bundeskriminalamt wiederum nutzt Prognosesoftware, um islamische Gefährder zu identifizieren. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter