So manch einer wird sich an den Film “Minority Report” mit Tom Cruise erinnern. Ein Kernelement des Films ist die Möglichkeit, Verbrechen vorherzusagen und präventive Verhaftungen durchzuführen, bevor diese überhaupt begangen werden können. Das klingt ziemlich futuristisch, aber “Predictive Policing” liegt gar nicht so weit in der Zukunft, wie zu vermuten wäre. Ganz so wie in “Minority Report” wird es in Wirklichkeit natürlich nicht aussehen. Der Markt für “Predictive Policing” wächst Software, die kriminalistische Falldaten verräumlicht und damit Vorhersagen ermöglicht, existiert bereits heute. Es existieren sogar Freeware-Projekte. Der Markt wird momentan von dem Software-Giganten IBM mit dem Programm “Blue Crush” angeführt, aber das System “PredPol”, das amerikanische Universitäten in Zusammenarbeit mit der Polizei von Los Angeles (einer der kriminellen Brennpunkte der USA) entwickelt wurde, macht IBM inzwischen deutlich Konkurrenz. Die Programme nutzen neben Falldaten und raumbezogen Informationen auch Veranstaltungskalender, Wetterdaten oder Zahltagen an denen viel Geld im Umlauf ist. Die dahinterstehenden Theorien gehen auf die 70er-Jahre zurück. Ansätze wie “Repeat Victimization”, die “Routine-Activity-Theorie” und die “Broken Windows-Theorie” fließen in die Vorhersagen ein. Selbstverständlich ist es nicht möglich, wie in “Minority Report” einzelne Straftaten vorherzusagen, aber den modernen Programmen gelingt es erstaunlich genau, Gegenden herauszuarbeiten, in denen es in naher Zukunft wahrscheinlich zu einem Verbrechen kommen wird. In einer Studie des LKA Niedersachsen werden die Programme nach drei Ansätzen unterteilt: Fortschreibung von Hot-Spots (räumliche Brennpunkte) und Hot-Dots (Personen, die aufgrund bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen immer wieder Opfer werden) in die Zukunft. Zugrunde liegt die Annahme einer großen Konstanz dieser Gebiete und Personen. Nutzung univariater Methoden, bei denen auf Messungen einer Variable – in diesem Zusammenhang meist die Straftaten – in der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen werden soll. Verwendung multivariater Verfahren, wobei zunächst diejenigen unabhängigen Variablen identifiziert werden müssen, die auf die abhängige Variable “Kriminalität” Einfluss nehmen. “Predictive Policing” wirft Probleme auf Drei deutsche Kriminalämter wollen die Anwendung entsprechender Software testen. Natürlich ist aber auch “Predictive Policing” eine Technologie, die Schwachstellen aufweist: Der Preis: Software für Verbrechensvorhersage ist kostspielig und weit teurer als bisher verwendete IT-Systeme für reines Geomapping. Das BKA testet momentan “Content Analytics”, eine Software von IBM. In das Projekt wurden 551.000 Euro investiert. Sollte sich die Behörde entscheiden, das Programm zu nutzen, kämen dazu hohe laufende Kosten. Datenschutz: Die deutsche Polizei hat ja heute schon einen kleinen Hang zur Datensammelwut. Ob nun gerechtfertigt oder nicht, wollen wir hier nicht ausdiskutieren. Aber der Einsatz von “Predicitve Policing”-Software würde zweifelsohne dazu führen, dass noch mehr Daten (auch personenbezogene) gesammelt und miteinander verknüpft werden würden. Das Ausmaß dieses Eindringens in die Privatsphäre der lässt sich noch nicht absehen, wird dem ein oder anderen Datenschützer allerdings sicher zur Kritik anregen. Zumal die Wege, auf denen die Analysen zustande kommen, für die Endnutzer (also die Polizei) nicht einsehbar und damit nicht überprüfbar ist. Denn der Quellcode der proprietären Software bleibt das Geheimnis der Hersteller. Förderung von Stereotypen: Besonders interessant wird es natürlich, sobald Personendaten ins Spiel kommen. Vorhersagesysteme liefern keine Anhaltspunkte dafür, wie die zukünftigen “Verbrecher” auszusehen haben. In einer Reportage hat die ARD dokumentiert, wer dann kontrolliert wird: Menschen mit dunkler Hautfarbe, Kapuzenpullis und andere, offensichtlich unterprivilegierte Personen. Stereotypischer geht es wohl nicht. Momentan werden die Programme exklusiv für die Analyse von Wohnungseinbrüchen genutzt. Im Erfolgsfall sollen die Anwendungsgebiete aber erweitert werden. Minority Report ist mit dem deutschen Strafrecht nicht vereinbar Nur mal so am Rande: Ein Szenario wie in “Minority Report”, bei dem personenbezogen Verbrechen vorausgesagt und diese Personen dann verhaftet und für dieses Verbrechen verurteilt werden, ist in Deutschland nicht denkbar. Es gilt der Grundsatz: “Die Gedanken sind frei.” Eine Tat, die noch nicht begangen wurde, kann nicht bestraft werden. An diesem Grundsatz ist nicht zu rütteln – zumindest nicht mehr in diesem Jahrhundert. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
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