In einer aufsehenerregenden Entscheidung hat das Bayrische Oberste Landesgericht für Nachrichten in der Reproduktionsmedizin gesorgt. Das Gericht hob den Freispruch dreier Mediziner auf, die als Mitglieder des „Netzwerks Emryonenspende“ Frauen mittels in Embryonen implantierter Samenzellen zu Schwangerschaften verhelfen und die wegen illegaler Reproduktionsmedizin vor Gericht standen. Im Kern steht hinter dem Urteil der Zeitpunkt, zu dem von fremden Frauen gespendete Eizellen wieder aufgetaut werden – und ein Konflikt zwischen moderner Medizin und altem Gesetz.


Eizellenspende auf dem juristischen Prüfstand

Einer der betroffenen Mediziner ist Hans-Peter Eiden. Er und seine Kollegen haben nach einem sechs Jahre dauernden Gang durch die Instanzen nun rechtliche Klarheit über die juristische Einordnung seiner Tätigkeit im Netzwerk Embryonenspende, das er gründete und als 1. Vorsitzender leitet.


Eiden und seine beiden Kollegen standen in Dillingen wegen Verstoßes gegen das Embryonenschutzgesetz vor Gericht. Dieses sprach die Ärzte frei, ein Urteil, das dann von der zweiten Instanz, dem Landgericht Augsburg, auch bestätigt wurde. Der 6. Senat des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) hat der Revision der Staatsanwaltschaft nun teilweise stattgegeben und die Freisprüche aufgehoben. „ Das ist ein sehr harter Schlag. Das ist mein Lebenswerk. Viele Jahre meines Lebens sind zunichte gemacht. Ich habe Menschen zum Leben verholfen und werde als Straftäter behandelt“, so Eiden.

Um die Begründungen der Instanzen zu erstehen, muss man ein wenig in das Thema Eizellenspende einsteigen.

Moderne Medizin ermöglicht Eizellenspende

Das Netzwerk Embryonenspende ist ein 2013 gegründeter Verein, dessen Zweck es ist, Frauen, die keine eigenen Kinder bekommen können, durch Ärzte mit implantierter Samenzelle eingefrorene funktionstüchtige Eizellen zu erhalten. Die Eizellen stammen dabei aus Spenden von Paaren, die bei einem Arzt künstliche Befruchtungen vornehmen ließen. Während dieser künstlichen Befruchtungen wird das Spermium des Mannes im Labor mit der Eizelle der Frau zusammengebracht. Die Eizelle enthält dann sowohl das weibliche als auch das männliche Genmatrerial, die sich dann jeweils zu einem sogenannten Vorkern formen. Dieses Stadium wird als 2-PN-Stadium bezeichnet. Nach etwa 24 Stunden verschmelzen die beiden Vorkerne dann miteinander. Juristisch gesehen spricht man ab dieser Verschmelzung von einer Eizelle.

Während der künstlichen Befruchtung werden immer mehrere imprägnierte Eizellen eingefroren, um im Falle eines Fehlschlags eine Reserve zu haben. Häufig bleiben dann Eizellen im Vorkern-Stadium übrig. Wenn ein Reproduktionsmediziner mit dem Netzwerk Embryonenspende verbunden ist, können die Paare dann entscheiden, ob sie die übrigen Eizellen vernichten oder spenden wollen. In letzterem Fall können die Zellen dann verwendet werden, um den Kinderwunsch von Frauen zu erfüllen, die nicht oder nicht mehr über funktionierende Eizellen verfügen. Entschieden sich die Paare zur Spende, wurde ein mit implantierter Samenzelle eingefrorene funktionstüchtige Eizellen zu erhalten geschlossen.

Embryonenschutzgesetz verbietet Spenden unter bestimmten Umständen

Der Verein berechnete den Frauen dann 150 Euro für die Vermittlung der Eizellen. Dieser Betrag soll lediglich den Aufwand decken, unterm Strich finanziert sich der Verein von Mitgliedsbeiträgen. Laut Eider handelt es sich dabei um einen altruistischen Vorgang. Die kommerzielle Eizellenspende ist in Deutschland nämlich verboten.

Aber auch diese nichtkommerzielle Spende stößt auf ein Problem, nämlich § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Embryonenschutzgesetzes (EschG). Dieser untersagt es bei Strafe „eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt“. Der Gesetzgeber wollte damals 1990 der Möglichkeit entgegenwirken, dass ein Kind eine genetische und eine biologische Mutter haben kann. Dies sah man als Gefährdung des Kindeswohles an.

Für die Frage nach der Strafbarkeit des Vorgehen des Netzwerkes Embryonenschutzgesetz ist es nun entscheidend, wann die Befruchtung stattfindet. Die Anklage argumentierte, dass die Befruchtung nach dem Auftauen der Eizelle nicht mehr dem Ziel folgt, eine Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt. Aus diesem Grund erhob die Staatsanwaltschaft gegen die Mediziner im Vorstand des Vereins Anklage wegen missbräuchlicher Anwendung von Fortpflanzungstechniken und Beihilfe dazu.

Dreh- und Angelpunkt ist also der Zeitpunkt der Befruchtung, der auch bereits seit langem Inhalt eines juristischen Streits ist. Teilweise wird vertreten, dass die Befruchtung bereits mit dem Zusammenbringen von Spermium und Eizelle ihren Abschluss findet. Anderweitig wird angenommen, dass die Befruchtung durch die Verschmelzung vollendet wird, was erst nach dem Auftauen der Eizellen stattfindet. Das Embryonenschutzgesetz findet hier keine eindeutige Antwort.

Die Bundesärztekammer wiederum sieht die Befruchtung mit dem Erreichen des 2-PN-Stadiums als vollendet an – also vor dem Einfrieren der Eizelle.

Wann ist eine Eizelle befruchtet?

Die Mediziner holten sich im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Netzwerk Embryonenspende ein Gutachten von der emeritierten Strafrechtsprofessorin Monika Frommel ein, das sich auf die Definition der Bundesärztekammer stützt und das Handeln der Ärzte als rechtlich unbedenklich einstufte. Auf Basis dieses Gutachten nahm das Amtsgericht Dillingen in erster Instanz einen sogenannten Verbotsirrtum zugunsten der Mediziner an, was bedeutet, dass das Handeln zwar strafbar war, die Ärzte dies aufgrund des Gutachtens von einer renommierten Expertin nicht wissen konnten. Das LG Augsburg übernahm in nächster Instanz die Argumentation Frommels und sah das Handeln der Ärzte bereits als objektiv nicht strafbar an – im Widerspruch zu großen Teilen der medizinrechtlichen Literatur sowie einem Urteil des OLG Karlsruhe.

Der 6. Senat des BayObLG sah das anders. Das Auftauen und Weiterkultivieren einer 2-PN-Eizelle sei bereits ein „künstliches Befruchten“ im Sinne des Embryonenschutzgesetzes. Die Befruchtung der Eizelle finde erst über den Zeitraum von bis zu 24 Stunden vor dem Entstehung des Embryos statt. Das Auftauen einer Eizelle im 2-PN-Stadium mit dem Ziel, bei einer anderen Frau eine Schwangerschaft herbeizuführen, sei daher strafbar, während die Übertragung eines bereits entstandenen Embryos rechtlich erlaubt sei.

Aus medizinischer Perspektive scheint diese Bewertung etwas seltsam zu sein: „ Das versteht kein Mensch. Wenn man nun einen Tag später einfriert, ist es legal“, wundert sich Ender. Dass nicht grundsätzlich später eingefroren wird, hat medizinische Gründe.

Das BayObLG hob daher die Freisprüche in den Fällen auf, in denen es sich noch nicht Embryos handelte und verwies diese zurück an das LG, das nun klären soll, welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Zustand der Zellen gemacht haben. Auch die Tatsachen, nach denen ein Verbotsirrtum vorliegen könnte, müssen weiter geklärt werden.

Für Eiden jedoch geht es um eine Grundsatzfrage: „ „Das ist Leben, das sich entwickeln kann, wenn man es lässt. Und dafür gibt es nun ein Vernichtungsgebot“, so der Mediziner. Abhilfe könnte hier nun nur noch der Gesetzgeber schaffen. Die Hoffnungen darauf sind indes gering.

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