Wer Mitte Mai US-Präsident Donald Trump bei der Vorstellung seines Planes zur „Operation Warp Speed“ zuhörte, der empfand wahrscheinlich Optimismus: Bis Jahresende soll es auf dem Markt einen zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 geben. Zu diesem Zweck wählte Trumps Beraterteam 14 Impfstoffe aus, die am erfolgsversprechendsten erschienen. Unter anderem gingen mehr als 400 Millionen US-Dollar an das US-Unternehmen Moderna, welches an einem Impfstoff auf RNA-Basis arbeitet. Doch Expertenmeinungen zeigen, wie ambitioniert diese Pläne sind. Es kann sogar sein, dass es keinen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird.


SARS-CoV-2
Bild: NIAID

Hoffnung auf schnelle Impfstoffentwicklung

Moderna will mit der Produktion des RNA-Impfstoffes bereits im Juli beginnen – also im kommenden Monat. Dabei nimmt das Unternehmen bewusst in Kauf, dass die Zulassung des Wirkstoffes noch weit entfernt ist und möglicherweise ganze Chargen wieder vernichtet werden müssen. Ob es Anlass zu so viel Optimismus gibt, ist mehr als fraglich. Diverse Experten sind sich einig, dass es vor Anfang 2021 keine Zulassung für einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird. Und auch das wäre atemberaubend schnell: Vom Beginn der Entwicklung bis zu der Zulassung wäre dann weniger als ein Jahr vergangen. Vor einigen Jahren noch lag die Entwicklungs- und Zulassungszeit für Impfstoffe noch bei 15 bis 20 Jahren.

Für eine schnelle Entwicklung spricht die Tatsache, dass es nicht nur viele Gruppen gibt, die an einem Impfstoff arbeiten, sondern diese auch noch auf viele unterschiedliche Methoden setzen. Mindestens acht verschiedene Impfstoffarten werden derzeit entwickelt und getestet. Außerdem existieren Impfprojekte gegen andere Coronaviren, von denen viel gelernt werden kann.


Impfstoffentwicklung: Es gibt keine Garantien

Allerdings muss auch klar sein, dass der reine Wille zur Impfstoffentwicklung nicht zwingend zum Erfolg führen wird. Denn es gibt Viren, an denen die Entwickler sich schon seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißen. Ein prominenter Vertreter ist das HI-Virus, die Ursache für die Immunschwächekrankheit Aids. Der Erreger wurde 1984 identifiziert, und seitdem versuchen Forscher vergeblich, einen Impfstoff zu entwickeln. Bisher verlief dies erfolglos. Ähnlich liegt der Fall bei Hepatitis C, einem Virus, der Jahr für Jahr zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen entzündet. Folgen sind chronische Leberentzündungen, Leberzirrhosen und Leberkrebs.

Bisher sprechen viele Forschungsergebnisse sowie die Geschichte von Impfstoffen gegen andere Coronaviren durchaus dafür, dass es einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird. Im Idealfall gelingt es mehreren Unternehmen, einen Impfstoff zu entwickeln, denn einem einzelnen Unternehmen wird es nicht möglich sein, innerhalb von kurzer Zeit die komplette Erdbevölkerung zu versorgen.

Und auch wenn es dann einen Impfstoff geben wird, gibt es keine Garantie dafür, dass dieser dauerhaft gegen Covid-19 schützen wird. Wie alle Viren ist auch SARS-CoV-2 in der Lage, sein Erbgut umzuarrangieren und sich so zu verändern. Dies geschieht im Falle des neuen Corona-Virus nicht mit der hohen Geschwindigkeit, die etwa bei HIV, HCV oder etwa Grippeviren beobachtet werden kann (gegen letztere brauchen wir Jahr für Jahr einen neuen Impfstoff), aber es geschieht. Tatsächlich hat sich das Virus seit seiner Entdeckung Anfang des Jahres bereits verändert – allerdings nicht so, dass das zu Problemen bei der Impfstoffentwicklung führt.

Es gibt weiterhin auch keine Garantie dafür, dass ein Impfstoff letztlich wirklich vor der Ansteckung schützt. Es ist etwa durchaus möglich, dass er nur einen Teil der Geimpften schützt oder lediglich die Symptome der Krankheit abmildert. Dass es immer schwieriger wird, Impfstoffe zu entwickeln, die komplett vor Ansteckungen schützen, ist schon seit einiger Zeit zu beobachten.

Impfstoff dieses Jahr: Mehr als unwahrscheinlich

Der Zeitplan von Donald Trump ist in jedem Fall ambitioniert. Bisher gibt es keinen Impfstoff, der es in Phase-III-Studien geschafft hat. Dies ist der entscheidendste und wichtigste Teil einer Impfstoffentwicklung. In Phase-III-Studien wird ein Impfstoff Hunderten bis Tausenden Menschen verabreicht. Erst wenn die Daten dieser Phase ausgewertet wurden, kann eine Zulassung des Impfstoffes beantragt werden. Den Rekord hält bisher ein Impfstoff gegen Mumps, der es innerhalb von vier Jahren bis zur Zulassung geschafft hat.

Und nun soll das also in weniger als einem Jahr gelingen. Dabei müssten Abkürzungen bei der Zulassung genutzt werden, die alle extrem umstritten sind. Ein Beispiel für ein abgekürztes Zulassungsverfahren ist der Impfstoff rVSV-ZEBOV, der gegen Ebola schützen sollte. Dieser wurde anlässlich der Ebola-Epidemie 2014/15 in Westafrika entwickelt. Nach den Phase-II-Studien verebbte die Epidemie. Während sie n Gange war, wurde rVSV-ZEBOV gleichzeitig getestet und eingesetzt, um dann schließlich unter Vorbehalt zugelassen werden. Derartige Abkürzungen bergen allerdings immer Risiken, die nur schwer kontrolliert werden können.

Ob es bereits Anfang 2021 einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird, ist somit durchaus fraglich. Allerdings könnten wir von der Entwicklung selbst dann profitieren, wenn sich die Pandemie von selbst abschwächt, bevor es einen Impfstoff gibt. So könnten die Erkenntnisse etwa bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen zukünftige Coronaviren genutzt werden. Schließlich ist SARS-CoV-2 weder das erste noch (mit hoher Wahrscheinlichkeit) das letzte Coronavirus, das auf den Menschen übergeht.

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