Der 16.000-Einwohner-Ort Templin machte es bereits im Jahr 1998 vor: Weil der dortige öffentliche Nahverkehr kaum genutzt wurde und die Busse im Grunde nur »warme Luft« transportierten, entschlossen sich die Stadtväter, den Personentransport kostenlos anzubieten. Die Fahrgastzahlen schossen prompt in die Höhe, von 3.000 pro Jahr auf 500.000!


Busfahren bis zum Abwinken für 44 Euro pro Jahr

So schön dieser Effekt im Grunde auch war, Probleme warf er trotzdem auf: Die Busse waren schnell überlastet, obwohl sie schon in enger Taktung fuhren. Die Finanzierung klappte immerhin gut, sie lief über Sponsoren, erhöhte Parkgebühren und eine neu eingeführte Kurtaxe. Doch wie ließ sich der immense Zulauf regulieren? 2002 führte Templin eine Jahreskarte für seine Einwohner ein, jeder, der dafür 44 Euro pro Jahr investierte, durfte weiterhin Busfahren bis zum Abwinken. Die Rechnung ging auf: Nun sind die Busse gut ausgelastet, die Templiner freuen sich über den vergleichsweise günstigen öffentlichen Nahverkehr und die Straßennutzung durch private PKWs ist spürbar gering. Da die brandenburgische Kommune als Kurort fungiert, ist der Rückgang des Autoverkehrs von doppeltem Vorteil, denn der Erholungswert der Innenstadt mit ihrem wunderschönen Kopfsteinpflaster hat sich stark erhöht.


Geld ist da, es müsste nur anders verteilt werden

Auch Autoverkehr kostet Geld, in Köln fallen dafür sogar 80 % aller Mobilitätsinvestitionen an. Dieser Posten lässt sich bei ordentlich funktionierendem öffentlichen Nahverkehr deutlich zurückfahren, um Finanzen freizusetzen. Der Verkehrsclub Deutschland gibt an, dass 150 Euro pro Person und Jahr in ganz Deutschland in den Automobilverkehr investiert werden – aus Steuermitteln. Geld ist also da, es müsste für das neue Konzept des kostenlosen Nahverkehrs nur umverteilt werden. Und natürlich dürfte auch die bessere Anbindung des dörflichen Umlandes nicht fehlen, damit Pendler auch ohne eigenen PKW zu ihrer Arbeitsstelle gelangen.

Manche Städte setzen auf eine partielle Kostenfreistellung des öffentlichen Nahverkehrs, der beispielsweise nur für bestimmte Betriebszeiten oder eine Auswahl von Linien gilt. Das Bürgerticket setzt im Gegensatz zum komplett fahrscheinlosen Verkehr eine jährliche Zahlung voraus, die den Einwohnern einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Bus und Bahn ermöglicht. Touristen und Gäste fahren weiterhin mit Einzelfahrscheinen, die Kontrolle muss also weiterhin stattfinden.

Wer steht schon gern im städtischen Stau?

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine große Anzahl Menschen gern bereit ist, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, wenn die Tickets kostenlos oder sehr viel günstiger werden, ist jedenfalls groß. Dies gilt vor allem dann, wenn die Verbindungen noch dazu praktischer und flexibler gestaltet werden. Wer steht schon gern im Abgas-Smog stundenlang im städtischen Stau?

Ein paar Beispiele für Städte mit (teilweise) kostenlosem Nahverkehr:

Hasselt in Belgien nimmt seit 2014 kein Geld mehr von Kindern und Senioren, andere Erwachsene zahlen pro Beförderung 50 Cents. Von 1997 bis 2014 waren die Öffis für alle kostenlos.

Aubagne in Frankreich bietet kostenlosen öffentlichen Nahverkehr an, inzwischen nutzen 4,9 Millionen Fahrgäste pro Jahr dieses Angebot – und das bei 45.000 Einwohnern. Die Finanzierung erfolgt über eine Arbeitgeber-Abgabe.

Tallinn in Estland lässt seine 420.000 Einwohner nach einem Volksentscheid kostenlos fahren. Sogar Regionalzüge sind mit im Angebot. Durch den Zuzugseffekt wird ein großer Teil der Kosten gedeckt.

Quelle: zdf.de

2 Kommentare

  1. Andreas Große

    20. Januar 2018 at 16:44

    Diese Maßnahme dürfte Zuspruch finden und die Innenstädte entlasten vom PKW- Verkehr.
    Eine Busfahrt kostet bei uns 1,40€ für Erwachsene, auch wenn man nur eine Station fährt, weil man z.B nicht gut zu Fuß ist.

  2. HaJo

    22. Januar 2018 at 15:38

    Einen fahrscheinlichlosen öffentlichen ÖPNV hat die Piratenpartei schon seit Ewigkeiten im Programm. Nur leider nimmt es kaum einer wahr.

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