Antibiotika retten jedes Jahr unzählige Menschenleben. Bei ihrem Einsatz ist allerdings Vorsicht angesagt. Denn je häufiger ein Antibiotikum zum Einsatz kommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich resistente Subtypen des Erregers entwickeln. Diese besitzen dann einen evolutionären Vorteil und verbreiten sich dementsprechend schnell. Schon vor vielen Jahren wurde daher beschlossen, bestimmte Antibiotika in Reserve zu halten. Diese sollen nur dann zum Einsatz kommen, wenn die gängigen Varianten keine Wirkung mehr entfalten. Auf diese Weise soll die Entstehung von gar nicht mehr behandelbaren Resistenzen verhindert werden. Dies funktioniert aber nur teilweise. So sterben den Angaben der EU-Kommission zufolge jährlich weltweit rund 700.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen. Rund 33.000 Todesfälle davon entfallen auf die Länder der Europäischen Union. Schätzungen gehen davon aus, dass beide Werte zukünftig noch einmal stark ansteigen dürften. Die EU-Kommission spricht daher von einer „stillen Pandemie“.


Bakterien im Urin
Antibiotika resistente Bakterien Bild: Mkaercher CC BY-SA 3.0 (VIA WIKIMEDIA COMMONS)

Der weltweit steigende Fleischkonsum erhöht den Antibiotikaverbrauch

Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang vor allem der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht. Diese werden in Europa oftmals zur Krankheits-Prophylaxe eingesetzt. In einigen anderen Ländern werden sie zudem auch genutzt, um das Wachstum der Tiere zu beschleunigen. Eine groß angelegte Studie aus dem Jahr 2019 kam zu dem Ergebnis, dass weltweit rund dreimal so viel Antibiotika in der Tierzucht eingesetzt wird wie in der Humanmedizin. Die Nachfrage dürfte durch den weltweit steigenden Fleischkonsum in den nächsten Jahren zudem weiter zunehmen. Dies ist schon grundsätzlich problematisch. Denn wie eingangs erwähnt, steigt mit jeder Anwendung auch die Gefahr von Resistenzen. Noch bedenklicher ist allerdings, dass in der Tierzucht teilweise sogar Reserveantibiotika zum Einsatz kommen. Ein gemeinsamer Appel verschiedener gemeinnütziger Organisationen ruft daher nun eindringlich dazu auf, zumindest diese Praxis zu verbieten. Reserveantibiotika dürften dann nur noch in der Humanmedizin genutzt werden.

Die Entwicklung neuer Antibiotika stockt seit Jahren

Bisher allerdings sind sämtliche in diese Richtung gehenden Initiativen gescheitert. So wollten die Grünen im Europaparlament den Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin und der Tierzucht stärker einschränken. Daraufhin protestierten aber unter anderem die praktizierenden Tierärzte und riefen eine Unterschriftenaktion ins Leben. Letztlich fand sich dann keine Mehrheit für den Antrag. Theoretisch gibt es zudem noch einen weiteren Ansatz, um die Problematik zumindest etwas zu lindern: Die Entwicklung neuer Antibiotika. Dies ist allerdings auf der einen Seite sehr kostenintensiv. Schätzungen gehen davon aus, dass die Entwicklung eines einzigen neuen Antibiotikums mehrere hundert Millionen Euro kostet. Gleichzeitig sind die Einnahmemöglichkeiten begrenzt – eben weil der Einsatz nur in Notfällen erfolgen soll. Viele große Pharmahersteller haben sich daher aus der Forschung in diesem Bereich zurückgezogen. Helfen könnten hier wohl nur massive staatliche Subventionen.


Via: Der Spiegel

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