Seit Jahrtausenden behandeln Bauern Saatgut mit Giftstoffen, um Mikroorganismen, Krankheitserreger und Pilze abzutöten. Ein Teil dieser Präparate bleibt an ihnen haften, landet also im Ackerboden. Dass es auch anders geht, ganz ohne Giftstoffe, zeigen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden und des Radeberger Unternehmens Evonta-Service. Sie haben unabhängig voneinander Elektronenkanonen entwickelt, die Saatgut rückstandsfrei von schädlichen Mikroorganismen befreien.


Elektronenkanone aus DDR-Zeiten

Das FEP griff eine Entwicklung des genialen Erfinders Manfred von Ardenne auf, der zu DDR-Zeiten ein privates Forschungsinstitut leitete. Die Wissenschaftler bauten eine neuartige Elektronenkanone, die geringere Wärmeverluste hat, also weniger Strom verbraucht als die Apparatur aus DDR-Zeiten. Die Elektronen werden, wie einst bei der Fernsehbildröhre, durch eine hohe elektrische Spannung aus einem heißen Metallstück herausgelöst, in einem elektrischen Feld beschleunigt und schließlich auf das vorbeirieselnde Saatgut gelenkt. Elektronen zerstören Lebewesen aller Art. Deshalb werden sie auch zur Krebstherapie genutzt.


e-3 Anlage von Evonta im Video

Auch/Nur für Biobauern geeignet

Evonta entschied sich für eine Neuentwicklung, in die auch FEP-Know-how einfloss. Die e-3 genannte Anlage lässt sich stationär und mobil nutzen – sie passt in einen Lkw. Pro Stunde schafft sie bis zu 30 Tonnen Saatgut. Sie wird mit Drehstrom betrieben. Pro Tonne verbraucht e-3 vier bis sechs Kilowattstunden Strom, Kostenpunkt maximal 1,5 Euro. Chemikalien zum Beizen von Saatgut – so nennt man das Abtöten von Mikroorganismen – kosten dagegen 60 Euro pro Tonne. Bei Tests in acht Bundeländern zeigte sich, dass Elektronen fast so wirkungsvoll wie Gift sind – beide töten meist mehr als 95 Prozent aller Mikroorganismen ab. Auch die Ernteerträge waren nahezu identisch.

Meinung eines Landwirtschaftsexperten

„Für das Saatgut ist das zunächst in Ordnung. Aber es geht beim Beizen um das danach wenn es in der Erde ist. Da interessiert das vorher keimfreie nicht mehr. Die Beize schützt in der Folge die Jungpflanzen und da hilft die Strombehandlung vorher nicht. Stellen sie sich etwas Sauberes vor. Dann die Aussaat. Und im Herbst und Winter kommen pilzliche Erreger von außen hinzu wie z.B. Schneeschimmel. Da kann das vorher saubere Korn sich nicht schützen. Die heutigen Beizen schützen die direkte Kornumgebung vor pilzlichen Erregern bis in das Frühjahr. Keimfrei macht nur Sinn für eine lange Lagerung von Konsumgetreide. Das sind allerdings riesige Mengen die so kaum behandelt werden können. Zudem ist die Verarbeitung auch meist zeitnah. Das Saatgut kommt dann ein paar Monate nach der Ernte wieder in den Boden und muss dann vor den äußeren Einflüssen geschützt werden, das vorher keimfrei ist dabei überflüssig. Außer man möchte Saatgut jahrelang lagern. Das macht nur niemand, weil in einem Jahr die Keimfähigkeit um 15-20 Prozent abnimmt und man benötigt rund 95-100 Prozent zum Aussäen. Also muss das Saatgut relativ frisch im Herbst oder Frühjahr von der Ernte davor verwendet werden bzw. wieder in den Boden.“

Ausführungen des Geschäftsführers von Evonta, Herr Röder

„Für Pflanzenkrankheiten gibt es sogenannte „samenbürtige“ und „bodenbürtige“ Erreger. Wir unterscheiden weiterhin Mikropilze, Bakterien und Viren, die sich allesamt auf bestimmte Kulturen spezialisiert haben. Die meisten der Erreger sind samenbürtig, da die Pflanze bereits während der Vegetationsperiode befallen wird und sich die Pathogene so auch im Samen etablieren können. Wenn man also den Samen behandelt bzw. desinfiziert wird der Infektionskreis an dieser Stelle unterbrochen. Gesundes Saatgut ist daher der beste Start.

In den vergangenen mehr als 20 Jahren wurden von Institutionen wie dem JKI (ehem. BBA), Behörden (Landesanstalten für Landwirtschaft) und zahlreichen Unternehmen beinahe flächendeckend in Deutschland und einigen Ländern dieser Welt Labor- Gewächshaus und Feldversuche mit verschiedensten Fruchtarten angelegt.

Die Ergebnisse belegen auch für den praktischen Feldanbau, dass die Wirkung der e-Beizung gegen samenbürtige Erreger sicher und praxistauglich ist. Die Rolle der bodenbürtigen Erreger sowie auch der sog. Beizhof bei chemische Präparaten wird also überschätzt, auch für systemische Beizen. Dies sehen auch Wissenschaftler z.B. des JKI so. Die e-Beizung bietet einen entscheidenden Vorteil: Das Saatgut läuft nach e-Beizung etwa 3-5 Tage eher auf als chemisch gebeiztes. Es wächst den bodenbürtigen Erregern sozusagen davon. Außerdem kann e-gebeiztes Saatgut ohne Verlust an Keimfähigkeit gelagert werden. Im Gegensatz dazu diffundieren die Wirkstoffe nach chemischer Beizung in das Korn ein und führen bei Lagerung zu dem allseits bekannten Verlust an Keimfähigkeit.

Bezüglich der Wirksamkeit der e-Beizung gibt es jedoch auch Ausnahmen, also Erreger, die im Boden oder auch im Embryo überdauern. Schwer bekämpfbar ist daher insbesondere Gerstenflugbrand (Ustilago nuda) , der jedoch bereits bei der behördlichen Untersuchung des Feldbestandes bei der Saatgutproduktion zur Aberkennung führt. Befallenes Saatgut darf dann nicht verwendet werden. Der wichtigste bodenbürtige Vertreter ist Schneeschimmel (Microdochium nivale). Er tritt besonders in Höhenlagen der Gebirgs- und Vorgebirgsregionen aus. In solchen Gebieten sollte eine chemische Beizung der e-Beizung vorgezogen werden.

Die heute existierenden chemischen Beizmittel wirken ausschließlich gegen Mikropilze. Dabei sind jedoch Bakterien und Viren bei Leguminosen, Gemüse und Spezialkulturen das größte Problem. Dem Pflanzenbauer stehen hierfür keine Beizmittel zu Verfügung. Die e-Beizung jedoch hat eine ganz ausgezeichnete Wirkung. Für die Saatgut-Produktion dieser Kulturen wird die e-Beizung daher immer stärker nachgefragt.

Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit Partnern an Technologien, die einen zusätzlichen Schutz durch natürliche Mikroorganismen bieten. Sie werden nach der e-Beizung am Saatkorn angelagert und besiedeln dies als „Antagonisten“. Aus diesen Arbeiten sind künftig viele nutzbare Effekte wie bessere Nährstoffaufnahme, höhere Trockentoleranz u.a. zu erwarten.“

Für Biobauern ist das Verfahren dennoch geeignet

Im Fazit kann festgehalten werden, dass die Industrie weiterhin wohl auf den bisherigen Einsatz der chemischen Beizmittel setzen wird. Ganz einfach aufgrund des geforderten Ertrages. Im Bio-Anbau wird bewusst auf den Einsatz von Chemie verzichtet und auch in Kauf genommen, dass das Saatgut partiell befallen werden kann und dann nicht mehr zu 90 – 100 Prozent austreibt. Eine saubere Reinigung der Saat vor der Aussat, mittels Elektronen, ist dann ein praktischer Zwischenschritt.

Biobauern können also aufatmen. Sie dürfen nur rückstandsfreies Saatgut verwenden, beispielsweise das mit Elektronen bestrahlte.

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