Ob durch Krankheiten, Unfälle oder angeborene Fehlbildungen – dauerhafte Körperdefekte sind für die Betroffenen oft eine große Last. Die plastische Chirurgie beschäftigt sich mit der Reparatur diverser solcher Defekte. Den plastischen Chirurgen des Universitätsklinikums Erlangen ist kürzlich ein echter Durchbruch gelungen: Mit Hilfe von sogenanntem Tissue Engineering gelang es ihnen, Ersatzgewebe im Körper von Patienten herauszuzüchten. Foto: Cell culture, Umberto Salvagnin, Flickr, CC BY-SA 2.0 Behandlung von Körperdefekten führt oft zu Sekundärschäden Die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk erzählen die Geschichte von Carina, einer jungen Frau, bei der ein Abszess in der Speiche (Knochen im Unterarm) zu einem 4 cm großen Loch im Knochen führte. Ein Defekt, der im schlimmsten Fall die Amputation des Unterarmes nach sich hätte ziehen können. Der Goldstandard für derartige Defekte ist momentan noch der Transfer von Eigengewebe. Die Ärzte hätten also an einer anderen Stelle von Carinas Körper Gewebe entnehmen müssen, um den Defekt zu schließen. In diesem Fall hätten die Ärzte auf einen Teil des Schulterblatts oder der Wade zurückgreifen müssen, was logischerweise zu Sekundärschäden führt, die die Patientin unter Umständen erheblich beeinträchtigt hätten. Tissue Engineering: Medizin der Zukunft Solche Sekundärschäden gilt es natürlich zu vermeiden. Zu diesem Zweck versucht die Wissenschaft bereits seit längerem, menschliches Gewebe im Labor heranzuzüchten. Durchaus beachtliche Erfolge wurden auch mit Gewebeteilen aus dem 3D-Drucker erzielt. Tissue Engineering im Labor hat jedoch ein Problem, das speziell bei größeren Gewebestücken wie Knochen zum Tragen kommt: Das Gewebe will durchblutet werden, und das ist speziell bei großvolumigen Gewebeteilen schwierig zu realisieren. Die Forscher aus Erlangen nutzten das körpereigene Durchblutungssystem, um die ausreichende Versorgung des Gewebes mit Nährstoffen zu gewährleisten. Das Gewebe wird sozusagen direkt an der beschädigten Stelle im Knochen gezüchtet, indem das Loch mit Füllmaterial gefüllt wird, in dem alles enthalten ist, was der Körper zur Knochenbildung braucht. Die Blutversorgung wird dabei durch eine Vene garantiert. Das Verfahren zeigte sich erfolgreich. Das Loch im Knochen konnte geschlossen werden, lediglich eine kleine Öffnung blieb zurück, durch die die Vene läuft. Die junge Frau lebt nun weiter ohne Einschränkungen, speziell Sekundärschaden konnten vermeiden werden. Nun sollte aus einem Einzelfall nicht gleich eine Revolution abgeleitet werden. Zwar ist das Verfahren im Fall von Carina zum ersten Mal weltweit gelungen, aber es sind weitere Forschungsarbeiten nötig, um zu evaluieren, für welche Defekte die Methode gut geeignet ist und für welche weniger. Dennoch machten die Chirurgen aus Erlangen einen beachtlichen Schritt nach vorne auf dem Weg, Tissue Engineering zu einer anerkannten Behandlungsmethode zu machen. Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter