In der Tiefsee herrschen eher schwierige Bedingungen. Es ist sehr kalt, lichtlos und nährstoffarm. Lange hielt man dieses Gebiet deshalb für dünn besiedelt und artenarm – was sich als Irrtum herausstellte. Eine weitere gängige Annahme war, dass es unten in der Tiefsee kaum Sauerstoff gibt, da dort keine Photosynthese stattfinden kann. Forscher:innen machten nun allerdings eine überraschende Entdeckung: Selbst dort unten in der lichtlosen Tiefsee entsteht Sauerstoff. Quelle dieses im Dunkeln entstehenden Sauerstoffs sind Manganknollen am Meeresgrund. Diese wirken wie „Geobatterien“ und erzeugen dabei ausreichend Spannung, um das Meerwasser mittels Elektrolyse zu spalten.


Bild: ROV KIEL 6000, GEOMAR (CC BY 4.0)

Sauerstoff in der dunklen Tiefsee

Entdeckt hat dies ein Team rund um Andrew Sweetman von der Scottish Association for Marine Science (SAMS). Das Team forschte in der zentralpazifischen Clarion-Clipperton-Zone. Dort liegen Lizenzgebiete für den künftigen Tiefseebergbau, in dem besonders viele Manganknollen vorkommen. Dabei handelt es sich um Knollen, die sehr metallreich sind und daher als potentielle Rohstofflieferanten gehandelt werden. Umso wichtiger ist es daher, ausreichend gut zu erforschen, welche Folgen ein Abbau der Manganknollen auf dem Meeresgrund hätte.

Sweetman und seine Kolleg:innen haben Sediment und Manganknollen in speziellen Tiefsee-Probenkammern vor Ort und verschiedenen Bedingungen ausgesetzt. Sie ermittelten dabei auch den Sauerstoffgehalt dieser Proben.


Dabei machten die Forscher:innen eine überraschende Entdeckung: In den Tiefseeproben entstand mehr Sauerstoff als durch die ablaufenden Prozesse verbraucht wurde. Diese Erkenntnis war so überraschend, dass das Team erst von einer Fehlfunktion der verwendeten Sensoren ausging. Bisherige Studien in der Tiefsee kamen immer zu dem Schloss, dass netto Sauerstoffverbrauch vorliegt, nicht Sauerstoffproduktion.

Die Forscher:innen kalibrierten die Sensoren daraufhin mehrfach neu und führten die Messungen erneut durch, wobei auch eine alternative Methode zum Einsatz kam – mit dem gleichen Ergebnis. „Als beide Methoden das gleiche Resultat ergaben, wussten wir, dass wir hier etwas Bahnbrechendem und bisher Unvorstellbaren auf der Spur waren„, erläutert Sweetman. Trotz Dauerdunkel lag die Sauerstoffproduktion in den Probenkammern bei 1,7 bis 18 Millimol Sauerstoff pro Quadratmeter und Tag.

Natürlich stellten sich die Forscher:innen dann die Frage, wo dieser Sauerstoff herkommt. Da in tausenden Metern Tiefe komplette Dunkelheit herrscht, kann dort keine Photosynthese stattfinden. Eine mögliche Erklärung wären chemische Reaktionen und radioaktive Zerfallsprozesse im Sediment, allerdings können diese nur für einen Anteil von weniger als 0,5 Prozent der gemessenen Sauerstoffproduktion verantwortlich sein.

Erstaunlicher Prozess produziert Sauerstoff

Der Sauerstoff musste also durch einen Prozess produziert werden, der bisher noch komplett unbekannt ist. Sweetman und seine Kolleg:innen wollten diesem Prozess im Labor auf den Zahn fühlen. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die Manganknollen, da in Arealen mit hoher Konzentration dieser Knollen besonders hohe Sauerstoffwerte gemessen wurden.

Die Forscher:innen führten elektrische Messungen an den Manganknollen durch, wobei sie herausfanden, dass diese eine hohe elektrische Spannung erzeugen. An der Oberfläche einiger Knollen entstanden Spannungen von bis zu 0,945 Volt. „Wir vermuten, dass diese Energie von den Potentialdifferenzen der MetalIionen in den Knollenschichten stammt, so das Team. Die daraus resultierende interne Umverteilung von Elektronen erzeuge die elektrische Spannung.

Diese natürlichen „Geobatterien“ erklären die Sauerstoffproduktion in der Tiefsee: Der entstehende Strom führt zu einer elektrolytischen Spaltung des Meerwassers. Wenn mehrere Manganknollen dicht beieinander liegen, können die dafür nötigen 1,5 Volt erreicht werden.

Tiefseebergbau: Schädigender als gedacht?

Meiner Ansicht nach ist dies eine der spannendsten Entdeckungen der Meeresforschung der jüngsten Zeit. Der Nachweis einer Sauerstoffproduktion durch einen nicht-photosynthetischen Prozess zwingt uns dazu, auch unsere Vorstellungen zur Entstehung komplexen Lebens auf diesem Planeten neu zu überdenken„, kommentiert Nicholas Owens, der Direktor der Scottish Association for Marine Science die Ergebnisse. Derartige „Geobatterien könnten schon bevor sich photosynthesefähige Organismen verbreiteten Sauerstoff für aerobe Lebensformen geliefert haben.

Außerdem könnten die Erkenntnisse dazu führen, dass der geplante Tiefseebergbau überdacht werden muss. Die neu entdeckte Sauerstoffproduktion könnte ein Grund für die tierische Artenvielfalt in knollenreichen Gebieten sein. Wenn die Knollen abgebaut werden, könnte dies das Ökosystem in der Tiefsee nachhaltiger schädigen als man bisher angenommen hat.

via Northwestern University

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