Tiere kennen beim Geschlechtsakt normalerweise keine besonderen Hemmungen. Zuschauer sind ihnen völlig egal, sie tun einfach, was gerade ansteht. Menschen hingegen ziehen sich zurück, um einander nahe zu sein. Und zwar nicht nur in unserer westlichen Hemisphäre, sondern kulturübergreifend. Warum ist das so?


Sex? Ja, aber bitte nur im Verborgenen!

Biologie entwickelt Kooperationsverhaltenshypothese

Der Graudrossling, eine ungewöhnlich soziale Vogelart, zeigt als einziges bekanntes Tier ein ähnlich »verstecktes« Sozialverhalten wie wir Menschen. Die Wüstenvögel gehören stets einer stabilen Gruppe an, die 22 Individuen nicht überschreitet. Die Tiere kooperieren eng miteinander, sie päppeln ihre Junge gemeinsam auf. Für den Geschlechtsakt ziehen die Paare sich zurück, sodass andere Gruppenmitglieder sie nicht beobachten können. Die Partnerschaften sind in der Regel stabil. An dieser Stelle wird deutlich, dass Graudrosslinge und Menschen mehr als nur eine Gemeinsamkeit haben, und hier setzt der Forscher Yitzchak Ben Mocha von der Universität Zürich seine Überlegungen an. Der Biologe hat nach intensiven Nachforschungen seine Kooperationserhaltungshypothese erstellt, die besagt, dass der verdeckte Sex die Kontrolle über den jeweiligen Partner erhalten und sozialen Konflikten vorbeugen soll.

In allen Kulturen ziehen Paare sich zum Sex zurück

Mocha erforschte das Sexualverhalten in 249 verschiedenen menschlichen Kulturen und fand dort erwartungsgemäß große Unterschiede. Aber: Sogar dort, wo die Menschen insgesamt sehr enge Kontakte untereinander pflegen, ziehen sich Paare zum Sex zurück und schirmen sich so gut es geht ab. Es handelt sich also um ein allgemeingültiges soziales Muster, das sich als deeskalierendes Verhalten deuten lässt. Die Menschen möchten unbewusst vermeiden, andere zu erregen und sich damit Konkurrenz zu schaffen. Der evolutionäre Erfolg unserer Spezies beruht, wie auch bei dem Graudrossling, auf unserem ausgeprägten Sozial- und Kooperationsverhalten, das nicht durch Eifersüchteleien und Aggressionen gestört werden soll.


Andere Tiere, die in sozialen Herden oder Gruppen leben, schränken ihr Sexualverhalten erfahrungsgemäß nur dann ein, wenn sie Sanktionen von höher stehenden Artgenossen befürchten. Dominante Gruppenmitglieder jedoch haben kein Problem damit, ihren Geschlechtsakt ganz offen auszuführen. Mocha sucht nun weiter nach anderen sozial orientierten Tierarten außer dem Graudrossling, die ein verdecktes Sexualverhalten aufweisen, wie es beim Menschen der Fall ist. Damit könnte er seine Hypothese auf Stichhaltigkeit prüfen.

Quelle: wissenschaft.de

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