In Deutschland besitzt jeder Bürger einen Personalausweis und kann sich im Zweifel eindeutig identifizieren. In den Vereinigten Staaten ist dies hingegen oft nicht der Fall. Dies kann zum Problem werden, wenn staatliche Unterstützung bezogen werden soll. Denn zahlreiche Bundesstaaten setzen – aus Angst vor Betrugsfällen – auf die Unterstützung der Firma ID.me. Diese verspricht, mithilfe eines eingeschickten Selfies die Identität einer Person zweifelsfrei bestätigen zu können. Die dahinter stehende Technologie hat den Angaben des Unternehmens zufolge eine Treffsicherheit von 99,9 Prozent. Doch inzwischen gibt es zahlreiche Zweifel an dieser Darstellung. Denn in den sozialen Medien mehren sich die Berichte von Personen, bei denen die Verifizierung nicht funktionierte. Nach drei erfolglosen Versuchen wird dann der Account gesperrt und es erfolgen keine Auszahlungen mehr, bis die Identität durch einen menschlichen Mitarbeiter geprüft wurde. Betroffene Personen konnten ihre Rechnungen nicht begleichen Das Problem: Viele der Betroffenen hatten große Probleme das Unternehmen über die zur Verfügung gestellte Chatmöglichkeit zu erreichen. Daher mussten sie deutlich länger als erwartet auf die staatliche Unterstützung verzichten. Dies stellte in vielen Fällen ein erhebliches Problem dar. Denn wer auf Arbeitslosengeld angewiesen ist, besitzt in der Regel kein besonders großes finanzielles Polster. Im besten Fall blieben durch die ausstehenden Zahlungen also einige Rechnungen unbezahlt. Im schlimmsten Fall konnten die betroffenen Personen sogar keine Lebensmittel mehr kaufen. In einzelnen Berichten ist sogar von mehreren Monaten ohne Zahlungen die Rede. Wie aber funktioniert das System von ID.me? Die Nutzer laden ein Selfie hoch. Die darin enthaltenen biometrischen Daten werden dann abgeglichen mit einem offiziellen Foto. Dafür wird oftmals das in den Datenbanken hinterlege Bild des Führerscheins genommen. Stimmen die Fotos überein, kann die Identität bestätigt werden. Das Unternehmen gibt den Nutzern die Schuld Soweit zumindest die Idee hinter dem System. Aus der Praxis ist aber bereits bekannt, dass Gesichtserkennungssoftware bei Minderheiten und Frauen nicht so gut funktioniert wie bei weißen Männern. Gleichzeitig sind diese Gruppen bei den auf Arbeitslosenunterstützung angewiesenen Personen überdurchschnittlich stark vertreten. Dies könnte einen Teil der aufgetretenen Probleme erklären. Das Unternehmen bestreitet dies aber und behauptet bei dem durchgeführten Bild-zu-Bild-Abgleich würde die Problematik keine Rolle spielen. Stattdessen sei das Problem bei den Nutzern zu suchen: Diese würden schlicht Bilder hochladen, die nicht den Vorgaben entsprächen. Überprüfen lässt sich diese Aussage allerdings nicht. Sie erklärt auch nicht, warum in solchen Fällen nicht zeitnah alternative Möglichkeiten zur Identifikation angeboten werden. Immerhin arbeitet die Firma im staatlichen Auftrag und soll sicherstellen, dass alle Berechtigen auch ihr Geld erhalten. Wie groß ist das Betrugs-Problem wirklich? Warum aber setzen so viele US-Bundesstaaten überhaupt auf die Technologie? Nicht wenige Beobachter führen dies auf verschiedene Medienkampagnen zurück. So behauptet der ehemalige US-Präsident Donald Trump schon lange, dass fehlende Ausweise zu Wahlbetrug führen könnten. Handfeste Beweise dafür konnten allerdings nie gefunden werden. Dennoch berichteten Medien in der Folge auch immer wieder über andere mögliche Betrugsformen – unter anderem etwa beim Arbeitslosengeld. Mit vermeintlichen Fakten wurden sie dabei auch von der Firma ID.me gefüttert. Deren Chef Blake Hall geriet zuletzt allerdings in die Kritik, weil seine Schätzungen des potenziellen Schadens immer höher wurden: Aus anfangs 100 Milliarden Dollar jährlich wurden innerhalb weniger Monate 400 Milliarden Dollar. Er selbst führt dies auf neu gewonnene Daten zurück. Von unabhängiger Seite konnten diese allerdings nicht verifiziert werden. Das US-Arbeitsministerium kann die propagierten Zahlen nicht bestätigen Dennoch führte die Aufregung dazu, dass unter anderem Kalifornien zum Jahreswechsel sämtliche Accounts zur Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung suspendierte. Genutzt werden konnte diese erst wieder nach einer Verifizierung mit ID.me. Für das Unternehmen war dies mit Sicherheit ein gutes Geschäft. Für die betroffenen Personen allerdings eine zusätzliche Hürde. Ob tatsächlich Fake-Accounts gefunden werden konnten, ist bisher nicht bekannt. Das US-Arbeitsministerium hat allerdings einige gesamtstaatliche Daten erfasst. So wurden zwischen März und Oktober 2020 lediglich Betrugsfälle mit einem Gesamtwert von 5,6 Milliarden Dollar aufgedeckt. Es liegt in der Natur der Sache, dass noch eine gewisse Dunkelziffer berücksichtigt werden muss. Die staatlichen Beamten gehen aber eher von einem Wert im zweistelligen Millionenbereich jährlich aus. Das Problem scheint also zumindest kleiner zu sein als von interessierten Kreisen propagiert. Via: Vice Teile den Artikel oder unterstütze uns mit einer Spende. Facebook Facebook Twitter Twitter WhatsApp WhatsApp Email E-Mail Newsletter
Ohne Brillen oder Kontaktlinsen: So soll Kurzsichtigkeit schon in jungem Alter unter Kontrolle gebracht werden