Wer die Zeit ganz genau messen will, der greift derzeit zu optischen Atomuhren auf Basis von Strontium- oder Ytterbium-Atomen zurück. Taktgeber in diesen Uhren sind Quantensprünge von Elektronen in den Atomhüllen. Allerdings gäbe es auch noch genauere Uhren: Sogenannte Atomkernuhren. Diese sind bisher allerdings nicht wirklich umsetzbar. Dank eines neuen Ansatzes könnte sich das nun ändern.


Bild: Steven Burrows/Ye group

Atomkernuhren: Aktuell sehr aufwendig und gefährlich

Neben den Elektronen können auch die Protonen und Neutronen im Atomkern verschiedene Energiezustände einnehmen – mit robusteren Übergängen und schnellerer Frequenz, sodass eine Atomkernuhr noch genauer wäre als eine optische Atomuhr.

Das Isotop Thorium-229 wäre ein guter Kandidat für eine solche Uhr. 2019 konnten Physiker:innen einen passenden Anregungszustand im Atomkern des Isotops einen passenden Anregungszustand. 2023 konnte der Übergang in diesen Zustand dann erstmals gemessen werden.


Allerdings ist Thorium-229 radioaktiv und kommt in der Natur nicht vor. Deshalb muss es aufwendig hergestellt werden. „Weltweit sind rund 40 Gramm Thorium-229 mit vertretbarer Isotopenreinheit vorrätig, aber davon ist das meiste mit anderen chemischen Elementen wie Uran vermischt und daher nicht nutzbar„, schreibt ein Team um Forscher:innen rund um Chuankun Zhang vom Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA) der University of Colorado.

Aus diesem Grund gibt es nur wenige Milligramm Thorium-229, die für die Forschung an Atomkernuhren verfügbar und geeignet wären. Die benötigten Kristalle des Isotops sind zudem mit im Durchschnitt mehr als 10.000 Becquerel stark radioaktiv, was den Umgang mit ihnen erschwert.

Dünnfilm statt Kristall

Zheng und seine Kolleg:innen könnten nun eine Lösung gefunden habe, die Thorium-229 für Atomkernuhren nutzbar machen könnte. Sie identifizierten eine Methode, mit der die Atomkernuhr nicht nur weniger Thorium-229 benötigen würde, sondern auch wesentlich ungefährlicher wäre. Statt eines massiven Thoriumkristalls kommt bei dieser Methode ein Dünnfilm aus Thorium-Tetrafluorid (ThF4) zum Einsatz, der 30 bis 100 Nanometer dick ist.

Dieser Dünnfilm kann unter Einsatz gängiger Vakuum-Dampfabscheidung produziert werden. Zudem wird kein reines Thorium als Ausgangsstoff benötigt. Die Forscher:innen benutzten pulverförmiges Thoriumnitrat (Th(NO3)4), das sie in Wasser lösten und damm mit Flusssäure versetzten. Dabei fiel Thoriumfluorid aus, dass die Forscher:innen dann verdampften und auf eine Unterlage kondensieren ließen.

Vielversprechende Experimente

Das Ergebnis ist ein dünnes und etwa 50 Mikrometer großes Thoriumfluorid-Scheibchen. „Bei 30 Nanometer Dicke entspricht dieses Volumen rund 700 Milliarden Atomen von Thorium-229 – und einer Radioaktivität von nur zwei Becquerel„, so die Forscher:innen. Dieser Dünnfilm ist somit nur ungefähr ein Tausendstel so radioaktiv wie die Thoriumkristalle, die bisher nötig gewesen wären. Für diesen Dünnfilm sind auch nur wenige Mikrogramm des Thorium-Isotops nötig.

Im Anschluss an die Herstellung des Dünnfilms gingen die Forscher:innen der Frage nach, ob dieser sich für eine Atomkernuhr eignet. Dafür testeten sie, wie gut sich der Zustandswechsel bei diesem Material messen lässt. Bei einem Experiment mit einem UV-Laser von etwa 249 Nanometer Wellenlänge zeigte sich, dass der Atomkern des Thoriums dabei genau die Energie auf, die für den Übergang in den nächsthöheren Quantenzustand benötigt wurde.

Dabei ließ sich dann auch der für die Atomkernuhr benötigte Zustandswechsel messen. Dieser findet den Messungen des Teams zufolge je nach Substrat bei 2020406 Gigahertz beziehungsweise 2020409 Gigahertz statt.

Diese Ergebnisse zeigen eindeutig, dass der isomere Übergang des Thorium-229 auch in Thorium-Tetrafluorid-Dünnfilmen ausgelöst und gemessen werden kann. Das eröffnet viele neue Möglichkeiten, weil die Herstellung von Thoriumfluorid-Filmen bereits weit entwickelt ist. Es wird beispielsweise schon für optische Beschichtungen eingesetzt„, so die Forscher:innen.

Auf dem Weg zu genaueren Uhren

Basierend auf Modellsimulationen schätzte das Team dann, dass die Präzision einer Atomkernuhr, die mit dem Thoriumfluorid-Film gebaut wird, bei etwa einem 50 Trillionstel pro Sekunde läge. Eine solche Uhr wäre damit deutlich genauer als gängige Atomuhren auf Cäsiumbasis und liegt auf dem Level optischer Atomuhren. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass sich eine solche Atomkernuhr auch noch deutlich optimieren ließe.

Ein Schlüsselvorteil solcher Atomkernuhren ist ihre Portabilität. Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen wir diese Systeme kompakter, weniger teuer und weniger radioaktiv machen„, ergänzt Yun Ye, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt war.

via Joint Institute for Laboratory Astrophysics (JILA)

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